Dutzende Journalisten gehen in die Hocke, zücken aufgeregt ihre Diktiergeräte und rangeln mit Ellenbogeneinsatz um die besten Plätze. Vor ihnen steht kein neuer Weltmeister, sondern ein Mädchen. Zehn Jahre alt, 1,44 m klein, eine pinke Schwimmbrille auf dem Kopf und eine rote Trainingsjacke über den schmalen Schultern. Alzain Tareq aus Bahrain spielt mit einer Wasserflasche, aber eingeschüchtert ist sie nicht. Sie genießt den Trubel sogar ein wenig.
“Ich bin so glücklich”, sagt Alzain. “Ich freue mich schon, morgen wieder schwimmen zu dürfen.” Sie spricht für ihr Alter sehr gutes Englisch, und das Strahlen in ihren großen braunen Augen scheint echt. Das Rennen der jüngsten WM-Starterin über 50 m Schmetterling dauerte 41,13 Sekunden, ihr Gang durch die Interviewzone 30 Minuten. Die Weltbesten benötigen rund zehn Minuten
“Ich habe sie noch nicht gesehen, sie ist die ganze Zeit beim Fernsehen”, sagt Vater Juma Salem Tareq: “Ich bin sehr stolz auf sie.” Seine Tochter beendete den Vorlauf als 64. und Letzte – 15,70 Sekunden hinter Weltmeisterin Sarah Sjöström. ” Alzain ärgerte sich: “Ich hätte besser schwimmen können.” In dem kleinen Mädchen steckt großer Ehrgeiz. Nachdem sie Bilder von sich und den Schwimmstars Sjöström und Cate Campbell geschossen hatte, “kam sie zurück und sagte: ,Schau sie dir an, das sind meine Rivalinnen, die will ich schlagen'”, verrät ihr Vater: “Ich habe ihr gesagt: Wenn du soweit bist, dann werden sie nicht mehr da sein. Aber du kannst ihre Zeiten schlagen.” Juma Salem Tareq war früher selbst Schwimmer. Er betont, dass er keinerlei Druck auf sein Kind ausübe.
Den Eindruck hat auch Henning Lambertz. Der Bundestrainer hatte zunächst geäußert, “eine Zehnjährige ist lieber auf dem Spielplatz als hier bei einer WM”. Nun sieht er das anders. “Auf der Tribüne hat sie sich bei uns hingestellt, eine Tüte Popcorn gegessen und sich kaputtgelacht”, erzählt Lambertz: “Das sieht für mich alles nach einem spaßigen Urlaubserlebnis aus. Deswegen finde ich das in Ordnung.”
Andere sehen Kinder auf dem Startblock kritischer und fordern eine WM-Altersbegrenzung, so wie es sie in anderen Disziplinen bereits gibt. Lambertz hält dies für unnötig, auch für eine Zehnjährige wie Alzain Tareq. “Wir quälen sie ja nicht oder bringen sie in extreme Dehnpositionen, bei denen der Körper zerreißt. Sie schwimmt einfach nur”, sagt der Bundestrainer. Hätte er ein wirkliches Naturtalent in diesem Alter, “dann würde ich sie auch nicht zu Hause lassen”. Bei Deutschen Titelkämpfen könnte eine Zehnjährige nicht starten, das Mindestalter für die EM ist 15.
Die national größte Konkurrenz im Wüstenstaat kommt für Alzain aus der Familie. “Ihre Schwester ist sieben Jahre alt”, verrät Vater Juma Salem: “Und der Trainer sagt, sie ist sogar noch schneller.”