(Brüssel) – Neue Gesetze und lange Haftstrafen für Oppositionelle gefährden die Versammlungsfreiheit in Bahrain, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Regierung lässt friedlichem, politischen Widerstand kaum Raum. Stattdessen erlässt sie restriktive Gesetze und verfolgt eine menschenrechtsfeindliche Politik. Sie toleriert keine Reformforderungen, die das Machtmonopol der herrschenden Familie in Frage stellen.
Der 87-seitige Bericht „‘Interfere, Restrict, Control‘: Restraints on Freedom of Association in Bahrain“ analysiert die restriktiven Gesetze und Praktiken, die Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen und politischen Gruppen die Luft zum Atmen nehmen. Er belegt, dass die Behörden mit unrechtmäßigen Gesetzen die Versammlungsfreiheit einschränken. Das tun sie etwa, indem sie Organisationen die amtliche Registrierung willkürlich verweigernoder, indem sie unabhängige Gruppen massiv kontrollieren. Mehr oder weniger beliebig übernimmt die Regierung regierungskritische Organisationen oder löst diese auf. Darüber hinaus erschwert sie deren nationales und internationales Fundraising.
„Bahrain gibt vor, einen Reformkurs zu verfolgen. Tatsächlich bewegt sich das Land in eine völlig falsche Richtung“, sagt Joe Stork, stellvertretender Leiter der Abteilung Naher Osten bei Human Rights Watch. „Mit einem neuen Versammlungsgesetzundder anhaltenden Inhaftierung von Oppositionellen will die Herrscherfamilie die Reformbemühungen in vielen Bereichen rückgängig machen.“
Die Europäische Union (EU) und die USA sollen die bahrainische Regierung auffordern, alle Gefangenen unverzüglich freizulassen, die nur deswegen in Haft sind, weil sie ihre Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausgeübt haben. Drei der Betroffenen haben sowohl die Staatsbürgerschaft Bahrains als auch die eines EU-Mitgliedsstaats.
Darüber hinaus sollen die USA und die EU gegenüber Bahrain öffentlich darauf drängen, den Entwurf eines neuen Gesetzes über zivilgesellschaftliche Organisationen und Institutionen in Einklang mit internationalen Standards zu bringen.
Vor allem sollen die beiden wichtigsten Verbündeten Bahrains, die USA und Großbritannien, nicht länger behaupten, das Land befände sich auf dem richtigen Weg. Vielmehr sollen sie sowohl öffentlich als auch hinter den Kulissen klarstellen, dass Gespräche über politische Reformen nicht kompatibel sind mit der Verhaftung friedlicher Aktivisten und neuen, immer restriktiveren Gesetzen.
„Am 30. Juni treffen die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, und einige EU-Minister in Bahrain auf ihre Kollegen aus Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrats“, so Stork. „Sie müssen jetzt die Erwartung formulieren, dass die wichtigsten politischen Gefangenen vor dem Gipfel freigelassen werden, auch die drei EU-Staatsbürger.“
Im August 2012 beschloss die Regierung den Gesetzesentwurf über zivilgesellschaftliche Organisationen und Institutionen, ohne lokale Organisationen zu konsultieren, und übergab ihn im Januar 2013 dem Parlament. Er umfasst weit restriktivere Vorschriften als ein älterer Entwurf aus dem Jahr 2007 und ist in vielerlei Hinsicht schlechter als das momentan gültige Gesetz aus dem Jahr 1989. Beispielsweise sollen die Behörden die Registrierung einer Organisation ablehnen können, wenn diese ihrer Auffassung nach „Leistungen anbietet, die die Gesellschaft nicht braucht, oder andere Vereinigungen das gesellschaftliche Bedürfnis bereits befriedigen“. Auch verbietet der Gesetzesentwurf den Gruppen, Ausländer ohne ausdrückliche Genehmigung des Ministeriums für Soziale Entwicklung zu Treffen oder Aktivitäten einzuladen.
Der Bericht dokumentiert, wie die Behörden das 1989er Versammlungsgesetz dazu missbrauchen, Organisationen willkürlich die Registrierung zu verweigern und nichtstaatliche Gruppen massiv zu überwachen. Schon vor der politischen Krise im Jahr 2011 haben sie Organisationen übernommen und aufgelöst, deren Führungspersonen die Regierung oder ihre Maßnahmen kritisierten.
So übernahm das Ministerium für Soziale Entwicklung im September 2010 den Vorstand der Bahrain Human Rights Society und setzte einen Ministerialbeamten als Vorsitzenden ein.Zuvor hatte die Organisation kritisiert, dass die Behörden die Verfahrensgrundrechte inhaftierter Oppositioneller verletzt hätten. Bereits im Jahr 2001 lösten die Behörden das Bahrain Center for Human Rights auf, nachdem dessen damaliger Präsident dem Premierminister Korruption und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen hatte.
Die Repressionen gegen unabhängige Organisationen nahmen nach den prodemokratischen Demonstrationen im Februar und März 2011 noch zu. 13 der Anführer der Proteste, von denen viele gleichzeitig oppositionellen zivilgesellschaftlichen und politischen Gruppen angehören, sind nach eindeutig unfairen Prozessen immer noch im Gefängnis. Sieben von ihnen wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Gerichtsunterlagen beweisen, dass sie ausschließlich wegen Verstößen verurteilt wurden, die im Zusammenhang standen mit der friedlichen Ausübung ihrer Meinungsfreiheit und friedlichen Versammlungen.
Im April 2011 löste das Ministerium für Soziale Entwicklung die bahrainische Lehrervereinigung auf und besetzte den Vorstand der bahrainischen Medizinvereinigung mit regierungsfreundlichem Personal. Beide Organisationen hatten zuvor gemeinsam mit den Demonstranten mehr politische Rechte gefordert. Als die bahrainische Anwaltsvereinigung im November 2011 einen vermeintlich regierungskritischen Vorstand wählte, annullierte das Ministerium kurzerhand die Wahl.
Auch die Vereinigungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit von oppositionellen politischen Gruppen verletzt die Regierung, in ihrem Fall auf der Grundlage des Gesetzes über politische Vereinigungen, des Gesetzes über öffentliche Zusammenkünfte aus dem Jahr 1973 und des Pressegesetzes aus dem Jahr 2002. Zu den im Jahr 2011 verhafteten Personen zählen Ibrahim Sharif, der Kopf der linken Nationaldemokratischen Aktion (Wa’ad), und Shaikh Muhammad Ali al-Mahfoodh von der Islamischen Aktion (Amal).
Erst im Mai änderte das Abgeordnetenhaus das Gesetz über öffentliche Versammlungen. Es verbietet nun Demonstrationen in der Nähe von „Krankenhäusern, Flughäfen, Botschaften, Konsulaten, wirtschaftlich relevanten, belebten und unter Sicherheitsaspekten wichtigen Plätzen“ und verpflichtet die Organisatoren, eine „Kaution“ in Höhe von 20.000 Bahrain-Dinar (knapp 40.000 €) zu hinterlegen. Die Behörden können sich mit vagen Begründungen weigern, Demonstrationen zu genehmigen, etwa dann, wenn diese „dem wirtschaftlichen Interesse des Landes schaden“. Die Änderungen treten in Kraft, wenn die Ratsversammlung ihnen zustimmt und König Hamad bin Isa Al Khalifa sie unterzeichnet.
Unter dem bahrainischen Gewerkschaftsgesetz dürfen Angestellte im öffentlichen Sektor keine Gewerkschaften bilden. Darüber hinaus dürfen Arbeitnehmer eine Vielzahl „vitaler und wichtiger Einrichtungen“ nicht bestreiken, darunter Bäckereien und „alle Transportmittel für Menschen und Waren“ sowie Sicherheitseinrichtungen. Nach dem Streikaufruf des bahrainischen Gewerkschaftsbundes während der Krise im Jahr 2011 änderte King Hamad das Gewerkschaftsgesetz, um einen rivalisierenden, regierungsfreundlichen Gewerkschaftsbund zu gründen und den Behörden die Entscheidungsgewalt darüber zu übertragen, welcher Bund an landesweiten Tarifverhandlungen teilnehmen und Bahrain international repräsentieren darf.
Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Bahrain unterzeichnet hat, garantiert allen Menschen die Versammlungsfreiheit und die Teilnahme am öffentlichen Leben. Diese Grundrechte können nur in eng begrenztem Umfang eingeschränkt werden, wenn dies „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ ist im „Interesse der nationalen oder der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, zum Schutz der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer“. Die Vorschriften in Bahrain überschreiten eindeutig die Grenzen des völkerrechtlich Erlaubten.
„Die Regierung behauptet, oppositionelle Organisationen hätten bahrainische Gesetze gebrochen. Tatsächlich ist sie es, diemit unrechtmäßigen Gesetzen und einer repressiven Politik ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen verletzt“, so Stork.
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