Das Ja der Saudis war entscheidend für US-Angriffe in Syrien

Piloten der saudi-arabischen Luftwaffe am Dienstag im Cockpit eines Kampfflugzeugs an einem nicht genannten Ort, unmittelbar nach ihrer Teilnahme an den Luftangriffen auf IS-Ziele in Syrien.
Saudi Press Agency/Agence France-Presse/Getty Images

Die Amerikaner, die am 11. September zum Sommerpalast des Königs von Saudi-Arabien am Roten Meer aufbrachen, waren angespannt. Sie wussten, dass viel von dem Treffen abhängen würde.

Ein Jahr zuvor hatte das saudische Staatsoberhaupt vor Wut geschäumt, als US-Präsident Barack Obama Angriffen gegen das Regime des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad eine Absage erteilt hatte. Jetzt stand wieder eine Mission in Syrien zur Debatte: Ein Schlag gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die weite Teile des Landes in ihrer Gewalt hat. Und dieses Mal brauchten die USA das Placet von König Abdullah bin Abdelasis Al Sa’ud. Ohne dessen Zustimmung würde es keine gemeinsame Front arabischer Staaten gegen den IS geben.

Bei den Gesprächen im Palast bat US-Außenminister John Kerry um Unterstützung, die auch Luftangriffe einschließen sollte, berichten amerikanische Regierungsbeamte und Vertreter aus Golfstaaten. “Wir werden jegliche Unterstützung bieten, die Sie brauchen”, habe der König zugesichert.

Das sei der Ausschlag gebende Moment gewesen. Erst in diesem Augenblick sei der Startschuss für die amerikanischen Luftschläge in Syrien gegen die Extremisten des IS wirklich gefallen, erklären die Offiziellen. Obama hatte wiederholt betont, er werde Angriffe nur dann genehmigen, wenn sich Verbündete aus der Region dazu bereit erklärten, sich seinen Bemühungen anzuschließen. Hätte sich Saudi-Arabien herausgehalten, wären vermutlich nur wenige andere arabische Länder Obamas Aufruf gefolgt.

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Western-backed rebels fear U.S.-led airstrikes on Islamic State and other extremists in Syria will ultimately favor President Bashar al-Assad’s regime. WSJ’s Sam Dagher reports. Photo: AP

Die frisch geschlossene Partnerschaft könne dazu beitragen, verlorengegangenes Vertrauen zwischen den langjährigen Verbündeten USA und Saudi-Arabien wiederherzustellen, meinen Regierungsvertreter beider Seiten. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten waren jüngst schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Saudis hatten Anstoß an der amerikanischen Reaktion auf die Aufstände des Arabischen Frühlings genommen und befremdet auf die Annäherung Obamas an den saudischen Rivalen Iran reagiert. Zudem deute sich an, dass die Saudis sich hinsichtlich der Sicherheit in der Region stärker engagieren könnten, worauf die Amerikaner seit langem drängen.

Bis die Übereinkunft mit König Abdullah zustande kam, gingen allerdings Monate ins Land, in denen führende Vertreter der US-Regierung und arabischer Länder hinter den Kulissen intensiv an einem Pakt arbeiteten. Zwar sei man sich darüber einig gewesen, dass eine Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS notwendig sei, nicht aber, wie oder wann.

Da Obama schon einmal umgeschwenkt war, seien die Saudis und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) anfangs skeptisch gewesen. Sie hätten sich deshalb auf eine Strategie verlegt, die es Obama erschweren sollte, noch einmal den Kurs zu wechseln. “Um was auch immer sie bitten, du sagst ‘Ja'”, erklärt ein Berater der Golf-Staaten ihre Vorgehensweise. “Das Ziel war es, ihnen keinerlei Grund zu geben, abzubremsen oder sich wieder zurückzuziehen.”

Grundlegenden Differenzen über Syrien

Mittlerweile sind die Luftanschläge angerollt und die Amerikaner haben die Führung übernommen. Sie haben bisher weit mehr Bomben abgeworfen als ihre arabischen Verbündeten. Aber die Tatsache, dass ein wichtiges sunnitisches Land seine Unterstützung für einen Feldzug gegen eine sunnitische militante Gruppierung wie den IS bekundet hatte, habe Obama umgestimmt, berichten US-Beamte. Vor diesem Hintergrund sei es ihm leichter gefallen, einen militärischen Einsatz abzusegnen, dem er sich zuvor widersetzt hatte.

Wie gut die Allianz funktioniert, wird davon abhängen, ob beide Seiten ihre grundlegenden Differenzen über Syrien und andere Belange überbrücken können. Saudische Führer und Vertreter der gemäßigten syrischen Opposition spekulieren darauf, dass die USA letztlich neben Angriffen gegen den IS auch zu Schlägen bewogen werden könnten, die moderate Rebellen in ihrem Kampf gegen Assad unterstützen. US-Regierungsvertreter betonen allerdings, man habe nicht die Absicht, Assads Streitkräfte zu bombardieren.

Der Weg zu einer Übereinkunft war mit Hindernissen übersät, bis ausgerechnet der Vormarsch des IS zum Auslöser der Wiederannäherung zwischen Amerika und Saudi-Arabien wurde. Nachdem die Terrorgruppe in Irak alarmierend schnell Dörfer und Städte überrollte, ließen im Juni saudische Offizielle Kerry wissen, der irakische Ministerpräsident, der Schiite Nuri al-Maliki mit engen Beziehungen zu Iran, müsse gehen, berichten US-Beamte. Sei dies geschehen, werde Saudi-Arabien sich intensiver bei der Offensive gegen den IS engagieren und darauf hinwirken, dass andere Golf-Staaten mitzögen. Das Weiße Haus war mittlerweile zu einem ähnlichen Schluss gelangt und ging dazu über, al-Maliki aus dem Amt zu drängen.

Die US-Initiative nahm Fahrt auf, nachdem IS-Extremisten die amerikanischen Journalisten James Foley und Steven Sotloff enthauptet hatten. Noch mehr Schwung sei nach dem Versprecher Obamas gekommen, die US-Regierung habe noch keine Strategie zur Abwehr der Gruppierung, sagen US-Regierungsbeamte. Nachdem sie anfänglich die Bedrohung heruntergespielt hatten, änderten Regierungssprecher allmählich ihre Wortwahl. Die USA seien “im Krieg” mit der Terrorgruppe und würden sie letztlich vernichten, formulierten sie jetzt.

Saudis wollen Assad-Regime stürzen

Bis dahin war den arabischen Verbündeten aber immer noch nicht klar, ob den harten Worten auch entsprechende militärische Taten folgen würden.

Der saudi-arabische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Adel al-Jubeir, hatte schon Jahre damit zugebracht, den widerstrebenden US-Präsidenten zu einer aktiveren Rolle in Syrien zu überreden. Der König habe sich dann dazu entschlossen, den Amerikanern das zu geben, was sie verlangten, erklären Diplomaten. Dabei hätten die Saudis um jeden Preis vermeiden wollen, denjenigen innerhalb der US-Regierung Munition zu liefern, die sich immer noch gegen ein Eingreifen aussprachen.

Für die Saudis hatte sich Syrien zu einer entscheidenden Front im Kampf mit dem Assad-Verbündeten Iran um den Einfluss in der Region entwickelt. Als Assad immer vehementer gegen die syrischen Aufständischen vorging, habe König Abdullah beschlossen, alles zu tun, was nötig sei, um den syrischen Machthaber zu stürzen, sagen arabische Diplomaten.

In der letzten Augustwoche war eine Delegation amerikanischer Militärs und Abgesandter des US-Außenministeriums in die saudische Hauptstadt Riad geflogen. Sie wollten ein Militärprogramm auf den Weg bringen, bei dem gemäßigte syrische Oppositionelle im Kampf sowohl gegen das Assad-Regime als auch gegen den IS geschult würden. Damit kam Washington einer seit langem vorgebrachten Forderung der Saudis entgegen. Die US-Mannschaft bat um die Erlaubnis, für die Kampfausbildung saudische Einrichtungen nutzen zu dürfen. Führende saudische Minister berieten sich über Nacht mit dem König, willigten ein und boten an, einen Großteil der anfallenden Kosten zu übernehmen. Botschafter Jubeir stattete dem Kapitol einen Besuch ab und drängte bei maßgeblichen Abgeordneten darauf, das Ausbildungsvorhaben abzusegnen.

Entscheidung am 11. September

Als Kerry am 11. September in Dschidda am Roten Meer landete, um im Sommerpalast von König Abdullah vorzusprechen, wusste er nicht ganz genau, zu welchen weiteren Schritten die Saudis möglicherweise noch bereit wären. Sie hatten ihre amerikanischen Gesprächspartner vor dem Besuch lediglich über ihre Bereitschaft in Kenntnis gesetzt, für Unterstützung aus der Luft zu sorgen – aber nur, wenn sie davon überzeugt wären, dass es den Amerikanern mit einem nachhaltigen Einsatz in Syrien ernst sei. Die Saudis wiederum seien sich nicht ganz sicher gewesen, wie weit Obama zu gehen bereit wäre, berichten Diplomaten.

“Jeder ist korrekterweise davon ausgegangen, dass die Saudis der Dreh- und Angelpunkt waren”, bemerkt ein leitender US-Regierungsbeamter, der mit den Saudis zusammenarbeitet.

Bei dem Treffen am 11. September war auf saudischer Seite unter anderem Prinz Bandar Bin Sultan anwesend. In seiner Funktion als Geheimdienstchef des Königs war er im vergangenen Jahr wegen der Politik in Syrien und Irak mit Kerry kollidiert. Die US-Vertreter hätten seine Teilnahme an dem Gespräch als Signal interpretiert, dass der König sicherstellen wollte, dass sein Hof geeint ist, erklären US-Offizielle.

Um das Eis zu brechen und das Gespräch in Gang zu bringen, ließ sich die amerikanische Delegation zunächst darüber aus, wie schlank Joseph Westphal, der amerikanische Botschafter in Saudi-Arabien, nach seiner jüngsten Diät nun daherkäme.

Absetzung von Maliki im Irak war wichtig

Dann wendete sich Kerry dem eigentlichen Anlass ihrer Unterredung zu. Er setzte dem König auseinander, dass der IS Amerika und Saudi-Arabien die Chance böte, wieder zueinander zu finden. Als der König verkündete, er sei dazu bereit, sich an den Luftangriffen zu beteiligen, habe Prinz Bandar gelächelt, erzählen US-Beamte. Er hatte die Amerikaner lange bearbeitet, mehr in Syrien zu unternehmen.

Als dann die irakische Regierung unter al-Maliki abgelöst worden war, sei der weitere Weg frei gewesen, berichten amerikanische Offizielle. Der König informierte Kerry darüber, dass er eine Gesandtschaft nach Bagdad schicken werde, um die Wiedereröffnung der saudischen Botschaft in Betracht zu ziehen.

Die Aufgabe, die Einzelheiten der Übereinkunft auszuarbeiten, fiel General Lloyd Austin zu. Der Leiter des Zentralkommandos des US-Militärs verbrachte den Sommer damit, das Vertrauen der arabischen Partner zu gewinnen. Austin beteuerte, das Pentagon werde die Namen der Länder, darunter Katar und Jordanien, nicht preisgeben, die ihre Stützpunkte für amerikanische Luftangriffe in Irak zur Verfügung gestellt hatten.

Bevor er Obama am 17. September über die Kriegsvorbereitungen in Kenntnis setzte, war Austin nach Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien gereist. Einen Tag vor dem Treffen mit Obama hatte der General zwei Telefongespräche mit Vertretern von Bahrain geführt, darunter auch mit dem König. Als der Präsident im Hauptquartier des Zentralkommandos in Tampa im US-Bundesstaat Florida eingetroffen sei, sei sich Austin sicher gewesen, dass seine arabische Koalition stand, berichtete ein Militärangehöriger.

Letzte Versicherung unmittelbar vor den Angriffen

Am Montag, dem 15. September, kam Jubeir mit Obama im Weißen Haus zusammen. Für ihre Unterredung waren 10 Minuten angesetzt gewesen, doch das Gespräch dauerte letztlich 45 Minuten. Die beiden Männer, die sich beim Vornamen ansprechen, verzichteten auf jegliche Formalitäten und sprachen offen über ihre militärischen Pläne.

Wenige Stunden bevor die Militärkampagne beginnen sollte, hielten US-Regierungsvertreter eine Telefonkonferenz ab, um die Abschlussvorbereitungen zu besprechen. Während des Gesprächs warfen Militärvertreter in letzter Minute Fragen darüber auf, ob Katar mitziehen würde und ob die Länder ihr Vorgehen publik machen würden.

Kerry hielt sich unterdessen in einer Suite in der 34. Etage des New Yorker Waldorf Astoria Hotels auf. Dort traf er sich mit führenden Politikern, die an der UN-Vollversammlung teilnehmen wollten. Kerry rief seine Amtskollegen von Saudi-Arabien, Jordanien, den VAE, Bahrain und Katar an, um sicherzustellen, dass sie immer noch zu ihren Zusagen standen. Das war der Fall.

Die VAE hatten sich mittlerweile am stärksten engagiert. Im Pentagon werden die Vereinigten Emirate wegen ihrer übergroßen militärischen Stärke zuweilen als “Kleinsparta” bezeichnet. Unter den VAE-Kampfpiloten befindet sich auch eine Frau. Zwei der saudi-arabischen F15-Piloten gehören der saudischen Königsfamilie an, unter ihnen ist Prinz Chalid bin Salman, der Sohn des Kronprinzen. Während der dritten Welle des ersten Angriffs stammte die Hälfte der attackierenden Flugzeuge aus arabischen Ländern.

Mitarbeit: Ahmed al Omran

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