Ein Kind inmitten von Weltstars

Kasan. Zart, schmächtig und etwas deplaciert wirkt das kleine Mädchen, das dieser Tage im Athletendorf der Schwimm-WM in Kasan die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Alzain Tareq, Jahrgang 2005, avanciert mit ihrem heutigen Start im Vorlauf über 50 Meter Delfin sowie über 50 Meter Freistil am Samstag mit gerade einmal zehn Jahren zur jüngsten WM-Starterin der Geschichte. Lampenfieber vor dem großen Auftritt hat die Nachwuchsathletin aus Bahrain nicht. „Ich bin ein bisschen nervös, aber es ist ein großartiges Gefühl bei der WM zu sein und all die großen Stars zu treffen“, betonte Tareq. Trotz ihres jungen Alters bringe sie eine gewisse Erfahrung mit, schließlich bestreitet die Schülerin bereits seit drei Jahren Wettkämpfe in der Heimat. „Natürlich war ich noch nie bei einer WM. Aber ich habe vor nichts und niemandem Angst.“

Dass Tareq in Russland überhaupt auf den Startsockel steigen darf, ist dem Regulativ des Schwimm-Weltverbands Fina zu verdanken. Dieser möchte bei seinen Meisterschaften ein möglichst breites Teilnehmerfeld und setzt daher weder Qualifikationsnormen noch eine Altersgrenze fest – im Gegensatz zur europäischen LEN, die ein Mindestalter von 14 Jahren vorschreibt. Dies ermöglichte in Kasan zuvor schon dem zwölfjährigen Ahnt Khaung Htut aus Myanmar seinen großen Auftritt, als er unter frenetischem Beifall der Zuschauer einen Solovorlauf über 100 Meter Brust absolvierte.

 

„Bin die Schnellste in Bahrain“

Die Titelkämpfe in Russland bestreitet Tareq im Gedenken an einen vor wenigen Monaten verstorbenen Trainer und hat klare Ziele: „Das Wichtigste ist, Erfahrung auf höchstem Niveau zu sammeln, die großen Stars beobachten zu können und vielleicht sogar einen persönlichen Rekord mitzunehmen.“ Finalchancen hat die Zehnjährige freilich nicht, ihre Bestzeit über 50Meter Delfin liegt bei 41,12 Sekunden und damit fast 17 Sekunden über dem Weltrekord der Schwedin Sarah Sjöström.

Im Alter von vier kam Tareq über ihren Vater Tareq Juma Salem, selbst einst Schwimmprofi, zum Sport. Inzwischen trainiert sie fünfmal in der Woche je zweimal pro Tag. Schwimmen und Schule seien ihre großen Interessen, ihr Lieblingsfach Mathematik, erklärte sie in einem Interview auf der Veranstalter-Homepage. Die WM-Teilnahme ist für sie „logisch. Ich bin die Schnellste in Bahrain.“ In der nationalen Ausscheidung hatte sich die Zehnjährige gegen zum Teil erwachsene Gegnerinnen durchgesetzt.

Vater Salem hat keinerlei Bedenken, dass der große Trubel und der Druck einer WM zu viel für seine junge Tochter sein könnten. „Um ehrlich zu sein, sie liebt es bis jetzt“, sagte er. „Jeder fragt sie, welche Disziplinen sie schwimmt und wie alt sie ist. Ich bin sicher, diese WM wird ein unvergessliches Erlebnis für sie.“

 

Spielplatz statt WM

Derartige Jugendspiele bei einer WM sorgen aber auch für Kritik. „Die Fina will auch die kleinen Nationen dabei haben. Die müssen nicht mal die B-Norm schwimmen und bekommen ihren Platz“, meinte etwa der deutsche Bundestrainer Henning Lambertz in der „Bild“-Zeitung und stellte zudem infrage, dass Tareq wirklich aus freiem Willen und nicht auf Druck der Eltern startet. „Ich glaube, eine Zehnjährige ist lieber auf dem Spielplatz als hier bei einer WM.“ Auch Ex-Schwimmstar Franziska van Almsick, selbst schon in jungen Jahren erfolgreich, sprach sich für eine Regelung aus: „Ich finde, dass 14 Jahre ein gutes Alter ist.“

Tareq und ihre Familie lässt diese Diskussion kalt. Die Zehnjährige konzentriert sich weiter auf die Jagd nach Selfies mit den Stars, gemeinsame Erinnerungsfotos mit den Olympiasiegern Chad Le Clos und Missy Franklin hat sie bereits.

In der Sammlung definitiv nicht fehlen darf Kasan-Superstar Katie Ledecky. Die 18-Jährige aus den USA gewann bereits dreimal Gold über 200, 400 und 1500 Meter Freistil und ist am Samstag auch über 800 Meter die große Favoritin – auf dieser Strecke ging 2012 ihr Stern bei den Olympischen Spielen in London auf. Damals war Ledecky 15 Jahre alt. Ein bisschen Zeit hat Tareq also noch.

Alzain Tareq aus Bahrain startet bei der Schwimm-WM in Kasan heute im Vorlauf über 50 Meter Delfin. Mit zehn Jahren ist sie die jüngste WM-Starterin der Geschichte. Ihr Auftritt sorgt auch für Kritik, liegt ihre Bestzeit doch 17Sekunden über dem Weltrekord. Der Weltverband Fina hat für die WM-Teilnahme allerdings weder Qualifikationsnorm noch Mindestalter festgesetzt.

Katie Ledecky, 18, gewann über 200, 400 und 1500 Meter Freistil und ist der WM-Superstar. Die Amerikanerin greift am Samstag nach dem vierten Gold.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 07.08.2015)

This entry was posted in DE and tagged by News4Me. Bookmark the permalink.

About News4Me

Globe-informer on Argentinian, Bahraini, Bavarian, Bosnian, Briton, Cantonese, Catalan, Chilean, Congolese, Croat, Ethiopian, Finnish, Flemish, German, Hungarian, Icelandic, Indian, Irish, Israeli, Jordanian, Javanese, Kiwi, Kurd, Kurdish, Malawian, Malay, Malaysian, Mauritian, Mongolian, Mozambican, Nepali, Nigerian, Paki, Palestinian, Papuan, Senegalese, Sicilian, Singaporean, Slovenian, South African, Syrian, Tanzanian, Texan, Tibetan, Ukrainian, Valencian, Venetian, and Venezuelan news

Leave a Reply