Daniela Ryf ist der Überflieger der Saison. Mehr als sie kann man wohl kaum leisten. Kurz vor ihrem Saisonabschluss in Bahrain, wo das rekordverdächtige, millionenschwere Preisgeld lockt, hat sie ein Interview gegeben. Die Schweizerin spricht über ihr Training, ihren Trainer, ihre Renneinstellung und ihre Ziele.
Du hast die vergangenen vier Wochen, für dein letztes großes Rennen der Saison, auf Phuket trainiert. Wie geht’s dir?
Ich denke, mein großes Rennen war Kona für mich. Es war ein großes Ziel, und den Weltmeistertitel zu erreichen war umwerfend. Deshalb bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich in diesem Jahr bereits erreicht habe. Es war eine tolle Saison. Ich glaube, mein Ziel ist es nun, meine beste Leistung des Jahres zeigen. Ich hatte einige wirklich gute Rennen, aber ich bin noch auf der Suche nach dem perfekten Rennen und natürlich hoffe ich, dass ich das in zwei Wochen in Bahrain zeigen kann.
Du bist Ironman-Europameisterin, Ironman 70.3 Weltmeisterin und Ironman-Weltmeisterin. Und jetzt kannst du mit der Serienwertung der Triple Crown eine Million Dollar gewinnen…
Ja, es ist sehr aufregend. Als ich die Saison in diesem Jahr in Dubai begann, hätte ich nie gedacht, dass es möglich ist, gleich zwei Rennen der Serie zu gewinnen. Denn sie waren alle sehr gut besetzt – und jetzt bin ich in dieser Position. Im Kampf um die Millionen – kann das Million-Dollar-Baby zu werden. Es ist verrückt und auch sehr überraschend für mich. Es ist eine große Chance. Natürlich laufe ich nicht alleine für das Geld, das ist nie mein Ziel gewesen, und das hat mich nie morgens aus dem Bett gebracht, um dann hart zu trainieren. Aber für einen Triathleten ist es immer noch eine einmalige Chance und natürlich hoffe ich, dass ich sie erreichen kann, dass ich ein tolles Rennen zeigen kann und dann auch den Preis verdiene.
Was hast du an deinem Training nach Kona geändert um für die 70,3 Distanz präpariert zu sein?
Für mich ist die 70.3 Distanz immer noch meine Lieblings Strecke, weil ich das Gefühl habe, ich kann von Anfang an alles geben. Ich habe mich gefreut, wieder in das 70.3 Training einsteigen zu können, denn es ist auf jeden Fall ein wenig intensiver. Wir haben einige sehr harte Radausfahrten gemacht und auch sehr harte Läufe … Schnelle Läufe auf dem Laufband, die ich wirklich genieße. Ich konnte es nicht erwarten, die Messer zu wetzen. Nach Kona war ich in einem sehr guten Zustand und die letzten vier Wochen haben wir wirklich versucht, das gewisse Extra an Kraft und Geschwindigkeit zu bekommen. So weit lief es großartig. Jetzt folgen noch zwei Wochen, in denen es um den Feinschliff geht.
Du bist nun schon eine Weile im Triathlonsport zu Hause, warst unter anderem zweifacher Olympiateilnehmer für die Schweiz. Denkst du, dein Coach Brett Sutton hat dir zum Durchbruch verholfen?
Er hatte auf jeden Fall einen großen Einfluss auf meine Leistung und meine Rennen und auch darauf, wie ich denke. Er ist nicht nur ein großartiger Trainer, er ist auch ein großartiger Mensch, der Sportler versteht. Er half mir auf jeden Fall mein Training zu überdenken und er hat vielen Sportlern zum Erfolg verholfen. Wobei er jeden Sportlers anders behandelt, je nach dem Charakter, je nachdem wie der Athlet trainiert. Auch passt er die Umgebung des Sportlers an.
Mir zum Beispiel hat er geholfen, eine gute Balance zu finden. Früher habe ich immer hart trainiert und manchmal vielleicht zu hart. Ich genieße das harte Training und natürlich wird das auch benötigt. Aber es ist auch der andere Teil, der ruhigere Teil, der wichtig ist. Je nachdem, an welchem Tag und zu welcher Zeit, muss man sich auch einmal zurückzuhalten. Er hält mich zur richtigen Zeit zurück und schiebt mich an, wenn ich Anschub brauche. Ich denke, das ist eines seiner größten Geheimnisse.
Auch wenn ich zum Wettkampf fahre, mag ich jetzt loslegen und auf das Tempo drücken. Ich versuche vor nichts Angst zu haben. Er versteht diese Art von Renngestaltung und er gibt mir einen Plan, den ich bis jetzt ziemlich gut ausführen konnte. Als Trainer in der Lage sein vorherzusehen, was im Rennen passieren kann, kann einem Sportler viel helfen. Er gibt mir ziemlich gut Pläne, die sich in den Ergebnissen widerspiegeln. Ich bin sehr glücklich darüber.
Wie sieht deine normale Trainingswoche aus? Trainierst du lieber in der Gruppe oder alleine?
Ich habe nichts dagegen, alleine zu trainieren. Ich denke, es ist etwas, das im Triathlon benötigt wird, da du vor allem auf dem Rad und auf der Laufstrecke sowieso alleine bist. Die Konzentration auf sich selbst muss man auch üben. Ich fahre sehr oft alleine Rad. Hier in Thailand, war mein Trainer ein paar Mal auf dem Roller hinter mir, um zu überprüfen, ob ich schnell genug bin.
Ich glaube, es gibt Gutes und Schlechtes an einer Gruppe. Manchmal ist es eine Menge Spaß, vor allem das Schwimmen, das ich wirklich genieße. Zu Hause trainiere ich auch mit einer Schwimmgruppe und manchmal vermisse ich sie, wenn ich weg bin. In St. Moritz trafen wir uns auch immer zum Schwimmen am Morgen und danach machte jeder sein eigenes Training. Das ist eine gute Mischung. Hier habe ich einiges alleine trainiert, mich aber auch einem Schwimmkader von jungen Athleten angeschlossen, die wahrscheinlich im nächsten Jahr in Rio starten. Es macht großen Spaß, so motivierte jungen Athleten für ihre Ziele hart arbeiten zu sehen.
Wie viele Stunden trainierst du in der Woche?
Ich habe aufgehört Trainingstagebuch zu führen. Ich schreibe nichts mehr auf. Das positive daran ist, dass du vergisst, wie viel du trainiert hast, sodass du dich nicht beschwerst, wie hart es ist. Ich denke, es ist definitiv nicht eine riesige Menge an Stunden. Es ist mehr Qualität als Quantität. Es ist schwer zu sagen, könnten rund 25 bis 30 Stunden sein. Nichts wirklich Besonderes. Es sind nicht die Stunden, die festlegen, ob du gut bist, es ist die Qualität. So machen wir oft kurze Einheiten sowie drei Läufe an einem Tag, die alle hart sind. Das ist das Training, das ich genieße – das ist mehr als viele Trainingsstunden.
Wie viel bist du auf Reisen und wie wählst du deine Rennen aus?
In diesem Jahr war es schon besonders, weil ich eine recht lange Zeit unterwegs war. Ich war seit Juni nicht wirklich zu Hause und das ist eine lange Zeit. Aber ich versuche dennoch nicht zu viel zu reisen. Den ganzen Sommer über war ich in St. Moritz. Wir hatten dort unsere Basis, weil mein Trainer dort lebt und von dort aus habe ich die Rennen in Europa absolviert. Das war wirklich gut, weil ich nicht die ganze Zeit fliegen musste. Ich konnte sogar die meisten der Rennen mit dem Auto erreichen, was für den Körper viel leichter zu verkraften ist. Danach reisten wir nach Jeju. Ich war immer vier oder fünf Wochen an einem Ort, sodass ich mich nie gehetzt oder gestresst fühlte, auch wenn es eine lange Reise ist.
Ich denke, es ist wirklich wichtig, nicht zu viel zu fliegen. Ich wähle die Rennen mit Brett zusammen aus, er wählt sie oft für mich. Er ist ziemlich gut in den Entscheidungen, welche Rennen wir machen und sie entsprechend einzuplanen.
Nach deinen Leistungen erwarten die Leute jetzt, dass du gewinnst. Hat sich der Druck verändert?
Wenn Leute sagen, dass sie von mir erwarten, dass ich gewinne, dann ist das nicht wirklich so. Sie denken, dass ich gewinnen könnte – ich versuche das als Kompliment sehen. Es gibt dir Rückmeldung, dass die Dinge gut laufen, sonst würden es die Leute nicht denken. Mein Ziel ist es, wirklich nur eine gute Leistung zu zeigen, zu versuchen, schnell zu sein. Darauf konzentriere ich mich im Rennen. Wann immer ich das mache, dann kommen die Ergebnisse von selbst.
Auf jeden Fall gibt es mehr Anspannung vor den Rennen, als im letzten Jahr, aber das hat keinen zu großen Einfluss auf mich. Selbst in Kona redeten die Leute, dass ich gewinnen würde oder gewinnen sollte. Sie vergessen manchmal, dass man es dann immer noch wirklich tun muss, dass einen die ganzen Ergebnisse und das ganze Training nicht automatisch siegen lassen. Deshalb ist es so wichtig, sich auf den Plan und die Leistung und nicht das Ergebnis zu konzentrieren.
Hast du bereits Ziele für 2016?
Nicht wirklich, um ehrlich zu sein. Ich habe mich ersteinmal ganz auf dieses Jahr konzentriert und darf im nächsten Jahr einige Rennen selbst auswählen. In diesem Jahr war es schon sehr streng und ich folgte allem, was wir im Vorfeld beschlossen hatten, um es am bestmöglich zu machen. Ich habe keine Kompromisse gemacht, ging in jedes Trainingscamp, das nötig war, um das Beste daraus zu machen. Nächstes Jahr werde ich vielleicht ein wenig später in die Saison einsteigen, weil sie in diesem Jahr schon sehr lange ist. Ich hatte noch nie so eine lange Saison. Ich werde auf jeden Fall eine kleine Pause machen und dann neu aufbauen.
Ich denke, mein Ziel ist es immer noch herausfinden, wie schnell ich werden kann. Über die Ironmandistanz glaube ich, ich kann immer noch ein wenig schneller werden. Das motiviert mich.
Text: BahrainEndurance, Fotos: Marc Sjoeberg, Lukas Bartl
Open all references in tabs: [1 – 5]