Seine Hitzebeständigkeit hat Jan Frodeno schon 2008 bei seinem Olympiasieg in Peking und bei der diesjährigen „Tropenschlacht“ in Frankfurt bewiesen. Nicht allein deshalb ist der 34-Jährige beim Ironman Hawaii (Start 18.25 Uhr MESZ/23.45 live HR-Fernsehen) der große Favorit.
Herr Frodeno, wenn ich auf den Hawaii-Sieger wetten würde, würde ich mein Geld auf Sie setzen. Sie auch?
Ich bin guter Dinge. Im Gegensatz zu allen anderen Leuten bin ich aber nicht mit dem Ergebnis beschäftigt. Ich bin bestens vorbereitet und gut drauf.
Sie sind das Thema aber offensiv angegangen: „Ich will hier gewinnen.“
Das will ich tatsächlich. Aber gerade hier kann in acht Stunden so viel passieren. Da gibt es Dinge, die kann ich nicht beeinflussen. Hier hat schon mancher Mega-Favorit Lehrgeld gezahlt.
Im vergangenen Jahr, bei ihrem Debüt auf Hawaii, sind Sie trotz einer Radpanne und einer Vierminutenstrafe Dritter geworden. Welche Lehre nehmen Sie aus diesem Rennen mit?
Die wichtigste Lehre aus diesem Rennen ist: Immer weitermachen. Das Durchhaltevermögen kann Gold wert sein. Es gab bei mir einige Momente , wo ich nur noch aufhören wollte. Diese Phasen gilt es, zu überwinden.
Was macht Hawaii so speziell?
Für mich war das 2014 ein Monstertrip. Ich kam krank hier an. Ich bin aus dem Flieger ausgestiegen und habe gedacht, ich habe keine Beine mehr. Ich dachte, ich habe Form und Fitness im Handgepäck über meinem Sitz vergessen. Das war zum Kotzen. Ich habe mich auf dem Queen Kaahumanu Highway gefühlt, als ob man eine Sauna in einen Windkanal stellt und dann abschließt. Wenn kein Wind weht, dann wird das so heiß, dass man tatsächlich Panikmomente bekommt. 42 Kilometer volle Pulle Sonne ohne einen Meter Schatten zwischen all den Lavafeldern ist nur noch krass.
Ihre Hitzefestigkeit haben Sie in Frankfurt ja bewiesen. Dort haben Sie die Konkurrenz insbesondere mit einer außerordentlichen Leistung auf dem Rad verblüfft. Bis dahin galt, wenn Jan Frodeno eine kleine Schwäche hat, dann im Sattel.
Die Schwäche war vor allem meinem Material geschuldet (lacht). Ich bin in Frankfurt zum ersten Mal in meinem Leben die 180 Kilometer an einem Stück gefahren ohne Pannen. Aber ich habe daran viel gearbeitet, weil das Radfahren nicht meine stärkste Disziplin war.
Sie und Sebastian Kienle sind die schärfsten Konkurrenten im Wettkampf und sind doch Kumpel. Woher kommt das ungewöhnliche Verhältnis?
Wir haben uns vor drei Jahren erst bei einem Wettkampf persönlich kennengelernt und da war gleich der Respekt zu spüren, den jeder gegenüber dem anderen hat. Der ‚Sebi‘ ist einfach ein lustiger Kerl, der hat etwas auf dem Kasten. Mit ihm mal Essen zu gehen, das ist gute Unterhaltung, da wird viel gelacht. Im Wettkampf ist er ein Killer. So ein Duell macht Spaß und pusht uns beide.
Sind Sie ihm auf Hawaii schon begegnet?
Ja, das war auch lustig. Er macht seine Tempoläufe und ich fahre mit meiner Frau wegen unseres Hochzeittages zum Candlelight-Dinner. Ansonsten hat jeder genug zu tun. Es reicht, wenn wir uns beim Rennen begegnen (lacht).
Sie haben in diesem Jahr in Frankfurt die Konkurrenz einschließlich Kienle mit Bestzeit in allen drei Disziplinen in den Boden „gerannt“, dann haben Sie sich noch den WM-Titel über die Mitteldistanz geholt. Solche herausragenden Leistungen rufen auch immer Argwohn hervor. Geht das ohne Doping? Nerven Sie solche Fragen?
Nein, das nervt gar nicht. Ich wohne inzwischen ja auch einige Zeit des Jahres in Spanien. Da nervt mich mehr die dort betriebene Heldenverehrung von Sportlern, die gerade ihre Sperren abgesessen haben. Ich begrüße das kritische Hinterfragen. Es gibt leider ein paar Jungs und Mädels, die mal eine ‚Abkürzung‘ nehmen. Ich bin für lebenslange Sperren von Dopingsündern. Ich stelle mich dem Thema und tue alles, um zu beweisen, dass ich sauber bin. Ich bin hier gerade kontrolliert worden. Das gehört dazu. Das einzige, was bisschen nervt, ist, dass die Welt-Antidopingagentur (Wada) und die Nationale-Antidopingagentur (Nada) sich nicht absprechen. In Frankfurt wurde ich an einem Wochenende vier- oder fünfmal kontrolliert. Die Kontrollen über einen Monat zu verteilen, wäre weitaus effektiver. Redet miteinander!
Neben körperlicher Fitness braucht ein Triathlet eine große mentale Stärke.
Ich war, was mentale Stärke angeht, zu Anfang meiner Karriere weich wie Butter. Immer, wenn es weh getan hat, habe ich gedacht, bloß nicht zu viel davon. Ich habe dann sehr, sehr viel daran gearbeitet mit Hilfe von Psychologen. Ich habe auch abgefahrene Dinge wie Hypnose probiert. Ich habe mir viel angelesen, mir angeschaut wie große Stars wie Michael Jordan oder Kobe Bryant aus schwierigen Situationen herauskamen. Ich habe mir, jeder Kopf ist ja sehr individuell, mein eigenes psychologisches Puzzle zusammengesetzt.
Das Beißen kann man lernen?
Ja, das ist eine Frage der Konzentration. Man kann wunderbar lernen, Schmerzen auszublenden oder ins Positive umzudrehen.
2010/11 ist der Eisenmann und Olympiasieger Jan Frodeno aber auch in eine Krise geschliddert. Von Burn-out war die Rede …
Burn-out ist etwas übertrieben, aber es war eine Zeit, in der ich übertrainiert und dem Druck nicht mehr gewachsen war. Das hat so an mir gezerrt, dass ich eine Pause nötig gehabt hätte. Die habe ich mir aber nicht gegönnt. Ich war viel zu akribisch, hatte vergessen mal die Beine hochzulegen und auch mal eine Glas Wein zu trinken.
Chris McCormack, der zweimalige Hawaii-Sieger, nennt Sie den professionellsten Triathleten, den er kennt.
Das bezieht sich auf mein Team, darauf, dass ich immer einen Physiotherapeuten und meinen Manager und besten Freund, Felix Rüdiger, dabei habe. Sonst bin ich auch schon mal ein Schludrian.
Seit Anfang des Jahres sind sie zusammen mit zwölf namhaften Triathleten Mitglied im Bahrain Endurance Team. Wie kam es zu dem Engagement?
Eines Tages kam ein Anruf, von dem ich glaubte, es steckt die Sendung ‚Versteckte Kamera‘ dahinter. Es meldete sich eine Frau, die sich als Sekretärin des Prinzen von Bahrain ausgab und mich einlud, zusammen mit anderen Olympiasiegern bei einem Sport-Event mitzumachen. Es sollte der Kanal zwischen Saudi-Arabien und Bahrain zu Gunsten des nationalen Schwimmverbands durchschwommen werden. Ich sagte: ‚Ja klar, wann soll es denn losgehen.‘ Es hat aber tatsächlich gestimmt. Das ist nun fast zwei Jahre her und war mein erster Besuch in Bahrain. Das Konzept des Triathlon-Teams wurde uns erst Anfang 2015 vorgestellt.
Haben Sie bei dem Namen Bahrain, dessen Verfassung und politische Situation weit entfernt von unseren Vorstellungen ist, nicht gleich ein wenig gezuckt?
Ja, klar, habe ich mich erkundigt und auch deutsche Sportfunktionäre gefragt. Für mich stand das Sportliche im Vordergrund. Ich sehe es als Fortschritt, wenn in der Hauptstadt von Bahrain in Anführungsstrichen leicht bekleidete Sportler und Sportlerinnen gemeinsam zum Wettkampf antreten. Der Prinz, selbst ein guter Ausdauersportler, verfolgt außerdem gesundheitspolitische Ziele. Viele Menschen dort haben Übergewicht oder leiden an Diabetes. Ich bewerte das positiv. Wenn ich wegbleibe, hilft das auch keinem.
Scheich Nasser bin Hamad al Khalifa, ist nicht nur Präsident des Olympischen Komitees, sondern auch Kommandeur der Königlichen Garde. Die soll an der Niederschlagung des auch in Bahrain aufkeimenden arabischen Frühlings beteiligt gewesen sein. Und Sponsoring, also Geld spielt sicher auch eine Rolle?
Beim Sponsoring ist das Bahrain-Team im Vergleich zu meinen anderen Sponsoren eher unten angesiedelt. Die politische Situation bewerte ich auch kritisch. Auf den Prinzen ist mit dem Finger gezeigt worden. Aber so weit ich weiß, konnte ihm aber eine direkte Beteiligung nicht nachgewiesen werden. Aber ich werde das weiter beobachten.
Die Marke Ironman ist ein begehrtes Spekulationsobjekt: Chinesische Investoren haben den Weltverband und deren Rennen gekauft. Berührt Sie das?
Ironman ist nun mal kein Familienbusiness wie die Challenge-Marke, das ist ein Geschäft. Ich bin Profi, insofern ist Triathlon, wenn ich ehrlich bin, in gewisser Weise für mich auch ein Geschäft, ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit. Durch die chinesischen Investoren wird ein weiterer großer Markt geöffnet. Das ist auch eine Chance, neue Partner und Länder zu gewinnen.
Eines ihrer Hobbies ist Kochen. Was kommt denn bei einem Athleten auf den Tisch, der eigentlich streng auf sein Gewicht achten muss?
Es glauben die wenigsten, aber ich esse im Vergleich extrem viel Fett – Olivenöl, aber auch Butter – als Energiequelle. Natürlich achte ich sonst auf gesundes Essen. Beim Kochen bin ich von Italienisch mehr in die Richtung asiatisches Curry gekommen. Für die Ironman-Distanz habe ich gegenüber der Kurzdistanz zwei Kilo Wettkampfgewicht zugelegt, (1,94 Meter, 77 Kilo, Anm. d. Red.).
Wenn man acht Stunden Höchstleistung hinter sich gebracht hat, dann hat man im Ziel sicher eine Menge Gelüste?
Das können Sie aber glauben. Schon während des Wettkampfes 2014 war mein größter Wunsch ein Bier. Wir sind an unserer Unterkunft zweimal vorbei gelaufen, und ich habe an den Kühlschrank voller Bier gedacht. Die süße Pampe, die man während eines Wettkampfs zu sich nimmt, die kann man irgendwann nicht mehr sehen und von der Gel-Ernährung hat man nach sechs Stunden auch die Nase voll. Wenn der Magen sich nach dem Rennen beruhigt hat, dann muss es dann auch ein Burger sein.
Interview: Jürgen Ahäuser