Juan Pablo Montoya über Porsche-Test: Schockierend schnell – Motorsport

(Motorsport-Total.com) – Der erste Eindruck stimmt: Ex-Formel-1-Pilot und aktueller IndyCar-Fahrer Juan Pablo Montoya fuhr am Sonntag nach dem WEC-Saisonfinale in Bahrain beim Rookie-Test den Porsche der neuen Weltmeister mit der Nummer 17. Der Kolumbianer zeigt sich angetan vom Porsche 919 Hybrid, die Chemie stimmt.

Am Vormittag konnte sich Montoya mit seiner schnellsten Runde (1:43.174 Minuten; +0,228 Sekunden Rückstand auf Mitch Evans) auf den zweiten Rang der Zeitentabelle schieben. Nach 18 Runden und zwei Runs am Vormittag folgte am Nachmittag eine längere Einheit mit insgesamt 55 Runden. Schließlich markiert der Indy-500-Sieger mit 1:40.861 Minuten die Bestzeit am Sonntag.

“Das Auto ist toll”, schwärmt Montoya mit breitem Grinsen nach seinem ersten Einsatz im LMP1-Boliden gegenüber ‘Motorsport-Total.com’. “Ein höllisches Gefährt, so kann man es am besten beschreiben. Ich bin sehr viele verschiedene Autos gefahren, und das macht sehr viel Spaß.”

Nur zwölf Runden im Simulator

Der Penske-Pilot lobt die Power des Boliden, es verhalte sich sehr stabil, gibt er zu Protokoll. Doch verleitet das zu Übermut: “Es ist einfach, das Auto zu überfahren. Es ist so berechnend, dass es dich dazu einlädt, dir die Seele aus dem Leib zu fahren. Das muss ich noch herausfinden, diese feine Linie zwischen dem Überfahren des Autos und es sehr schnell zu fahren. Das ist ziemlich normal.”

Die Strecke ist für den Test optimal: “Es gibt lange Geraden und harte Bremspunkte.” Zuletzt fuhr Montoya 2006 im Zuge des Grand Prix von Bahrain mit einem Formel-1-McLaren im Wüstenstaat. Zur Vorbereitung absolvierte er magere zwölf Runden im Simulator: “Ich habe zuvor ein bisschen im Simulator in Barcelona gearbeitet. Ich war überrascht, als sie mir gesagt haben, dass wir das und das machen. Aber okay, ich werde das nicht in Frage stellen, ich bin ja kein Ingenieur. Wir haben dann ein paar Runs in Barcelona gemacht und zwei, drei Runs in Bahrain”, schildert der 40-Jährige.

“Ich dachte, dass ich mich im Simulator gut vorbereitet hätte, als ich hierher kam, konnte ich sehen, wie sie arbeiten. Deshalb wollte ich eine Woche hier verbringen, damit ich sehen kann, wie sie arbeiten, was die Fahrer sagen und wie sie Probleme lösen”, erklärt Montoya. Er kommt kaum aus dem Schwärmen: “Es ist so schockierend, weil es so gut ist. Es ist eigentlich…in einer Art und Weise ziemlich einfach. Aber weil es so einfach ist, ist es auch einfach es zu übertreiben.”

Montoya: “Möchte mein Leben nicht verkomplizieren”

Ob die Hybridtechnologie eine Umstellung für ihn war? “Um das Hybridsystem zu verstehen…ja, es ist ein bisschen schwierig. Aber im Simulator kannst du alles verstehen lernen, wie du mit dem Hybridsystem umgehen musst. Das ist alles.” Grundsätzlich ist Montoya locker in diesen Test gegangen: “Du fährst einfach und schaust, wie das Auto reagiert. Du passt dich einfach an. Ich mache es mir da relativ einfach, ich möchte mein Leben nicht verkomplizieren.”

“Man kann natürlich viele und aufwendige Analysen machen, wie man das Auto fahren muss, und wie man dies und das machen soll. Aber ehrlich gesagt, wenn man zu spät bremst, verpasst man die Kurve, bremst man zu früh, muss man noch nachbessern, wenn man zu schnell ist, wird man die Kurve verpassen, und wenn man zu viel einschlägt, war man nicht schnell genug. Das ist nicht so schwierig”, schmunzelt der Kolumbianer.

Allerdings war er anfangs perplex: “Es war ein bisschen schockierend, als sie mir eine 30-seitige Bedienungsanleitung gezeigt haben, wo geschrieben steht, wie man das Auto fahren muss”, scherzt der Kolumbianer mit den anwesenden Journalisten.

BMW-Vergangenheit als Sprungbrett

Diese Situation erinnerte ihn an seine Formel-1-Vergangenheit – Montoya fuhr von 2001 bis 2004 bei Williams, von 2005 bis Mitte 2006 bei McLaren: “Ich erinnere mich, McLaren hat mir auch einen großen Zettel zugesandt. Die Knöpfe hatten keine Namen aber Buchstaben. Von A bis L oder so. Du musstest dir merken, welcher Buchstabe für welche Funktion steht – da gab es das Differential, die Traktionskontrolle und so weiter. Sie wollten, dass jeder Bescheid wusste. Am Anfang fragten wir uns aber noch: ‘Ah, ist das jetzt das oder das?’ Aber hier funktioniert es super.”

Seine Formel-1-Vergangenheit war es auch, die ihm den Einstieg in die WEC erleichtert hat: “Sie (Porsche; Anm. d. Red.) kamen zu mir. Ich kannte Fritz (Enzinger; Anm. d. Red.) und Andreas (Seidl; Anm. d. Red.) schon von den BMW-Zeiten. Das ist ziemlich cool.” Man sagte ihm zwar, dass man im Rennteam im Moment nichts zur Verfügung habe, aber “wenn ich den Wagen testen wollte, dann würden sie mich gerne begrüßen. Und ich dachte: ‘Ja klar, gerne!’.”

Das Ziel dieser Testfahrten? Spaß haben: “Heute geht es für mich nur darum, das Auto zu genießen. Die Idee ist, einfach rauszugehen und Spaß zu haben.” Und noch einmal betont der Kolumbianer, wie groß der Fahrspaß mit dem LMP1-Wagen auf der Rennstrecke ist: “Es ist so gut, es fühlt sich nicht so schnell an. Das ist wirklich komisch. Du fährst bei den GT-Autos vorbei, einer nach dem anderen, aber es fühlt sich nicht an, als wärst du so schnell unterwegs. Es kommt einem nur vor, als würden die extrem langsam herumfahren”, lacht er.

Le Mans 2016? “Wäre cool dort zu fahren”

Die Frage, ob er 2016 bei den 24 Stunden von Le Mans teilnehmen wird, stellt sich Montoya bisher nicht: “Ich bin sehr glücklich in der IndyCar-Serie, mit dem Team und allem. Nach Le Mans gehen? Darüber haben wir noch nicht einmal gesprochen. Viele Leute nehmen an, dass ich Le Mans fahre, weil ich jetzt den Test mache. Aber darüber sprechen wir noch nicht einmal. Irgendwann wäre es natürlich cool, dort zu fahren.”

Vor allem hätte Montoya so die Chance das legendäre Triple des Motorsports zu schaffen: Sieg beim Indy 500, beim Grand Prix von Monaco und in Le Mans. In Indianapolis konnte er bereits zweimal, 2000 und 2014 gewinnen, beim Formel-1-Rennen in Monaco war er 2003 siegreich.

“Ich bin schon alles gefahren. Es wäre sicherlich eine tolle Erfahrung, aber wenn du Le Mans fahren willst, musst du in so einem Auto sitzen”, nimmt er Bezug auf den LMP1-Wagen. Er möchte in keinem GT-Auto oder unterlegenem Boliden an den Start gehen. “Dafür habe ich keine Ambition. Mit dem hier, ja, das wäre sicherlich eine coole Erfahrung, mit all den schnellen Autos. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass ich eine Ahnung habe (was passieren wird; Anm. d. Red.).”

Montoya: WEC wahre Königsklasse des Motorsports

Montoya hat bereits Langstrecken-Erfahrung. Er fuhr die 24 Stunden von Daytona (2007, 2008 und 2013 konnte er gewinnen) und auch ein Einsatz beim Bathurst 1000 in Australien würde ihn reizen. Zunächst konzentriert er sich nach seiner WM-Niederlage in diesem Jahr aber auf die kommende IndyCar-Saison.

“Dafür werde ich bezahlt. In meiner Karriere bin ich einfach immer ins Auto eingestiegen, bin mir die Seele aus dem Leib gefahren und habe geschaut, was passiert”, erklärt Montoya seine Philosophie. “Ich mache das, weil ich es liebe. Ich müsste nicht Rennen fahren, aber ich liebe es einfach. Und natürlich will ich gewinnen. Ich möchte einfach der Beste sein, so einfach ist das.”

Auch einen Seitenhieb auf seine ehemalige Heimat, die Formel 1, kann er sich nicht verkneifen: “Wenn man heute denkt, was ist technologisch betrachtet das fortschrittlichste Auto, dann ist es das hier. Bei der Technologie ist es der Formel 1 voraus. Es ist schon lustig, wenn man sich die Autos ohne Verkleidung ansieht. Und die Leute reden über die Formel 1 und uh, sie wollen dort ein Cockpit. Willst du ein Formel-1-Cockpit, du hast es hier.” Bereits mehrere ehemalige Formel-1-Piloten hat es in die WEC verschlagen. Ex-Red-Bull-Pilot Mark Webber konnte sich in dieser Saison sogar den Fahrertitel holen und mit Nico Hülkenberg gewann ebenfalls ein Formel-1-Pilot die 24 Stunden von Le Mans 2015.

Interesse an WEC-Stammcockpit

Ob sich Montoya vorstellen könnte, Vollzeit in der WEC anzutreten? “Ich weiß nicht. Wenn sie mich wollen, vielleicht…Es gibt immer einen Unterschied zwischen dem was du hast, und dem was du bekommen kannst. Wenn du die GP2-Fahrer fragst, was sie machen wollen, sagen 90 Prozent Formel 1 und die anderen zehn Prozent das hier. Es ist wirklich sehr verschieden, was du haben kannst und was du willst. Ich bin im Moment sehr glücklich in der IndyCar. Aber wäre hier in Zukunft etwas verfügbar, könnte man es sich ansehen”, lässt er sich ein Hintertürchen offen.

Zumindest bekam Montoya beim Saisonfinale am Samstag auf dem Bahrain International Circuit einen kleinen Vorgeschmack auf das Renngeschehen in der Langstrecken-WM. “Die Rennen sind ziemlich lang”, stellt er fest. “Man muss wirklich verstehen, wer in welcher Kategorie fährt, damit man das gesamte Rennen genießen kann.” Dadurch dass Montoya beim Porsche-Team involviert ist, konnte er das Rennen aus der Perspektive des Rennstalls mitverfolgen: “Es war wirklich spannend, vor allem für mich, weil ich den Teamfunk mitgehört habe und wusste, welche Probleme wir hatten.”

Durch diesen Einblick in die Arbeitsweise eines LMP1-Teams kommt er auch zu dem Fazit, dass sich die größeren Mannschaften kaum von Formel-1-Teams unterscheiden: “Von der Durchführung her ist es wie bei einem großen Rennstall – wie ein Formel-1-Team. Es ist wirklich komisch, weil viele Deutsche hier arbeiten, aber insgesamt das Team doch sehr international ist. Manche Dinge sind schwarz und weiß, andere wiederum weniger hart – eine interessante Mischung.”

Vier Wochen Europa erträglich

Der Kolumbianer glaubt, dass es in der kommenden Saison noch enger werden wird zwischen den drei großen Herstellern: “Viele Leute werden sich daran anpassen, was Porsche in diesem Jahr gemacht hat. Die drei Hersteller werden sehr eng beisammenliegen, keine Ahnung was Nissan machen wird.”

Am Ende des Gesprächs kommt noch sein Fokus auf die Vereinigten Staaten zur Sprache. Der Kolumbianer lebt mit seiner Familie in Miami, sollte er tatsächlich ein Engagement in der WEC annehmen, würde er wieder mehr Zeit in Europa verbringen. Im Kalender 2016 sind vier Rennen in Europa (Großbritannien, Belgien, Frankreich und Deutschland), zwei in Nordamerika (Mexiko, USA) und drei in Asien (Japan, China, Bahrain) vorgesehen. Montoya kommentiert diese Tatsache lapidar: “Ich denke, ich kann mit vier Wochen in Europa leben.”

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