Opposition in Bahrain fühlt sich allein gelassen
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Der König von Bahrain Hamad Bin Isa Al Khalifa: Schwere Vorwürfe von Menschenrechtsaktivisten (dpa/ picture alliance / Mazen Mahdi)
Die bahrainische Menschenrechts- und Internetaktivistin Ala’a Shehabi erwartet vom Westen mehr als nur schöne Worte, wenn es um Redefreiheit, den Schutz der Privatsphäre und Demokratie und Menschenrechte in ihrem Heimatland geht.
Korbinian Frenzel: Alle Augen richten sich auf den Irak im Moment, aus guten Gründen, weil dort vielleicht jetzt das stattfindet, was uns George W. Bush vor gut zehn Jahren zu verkaufen versuchte: Der Kampf um wenigstens eine Resthoffnung auf Demokratie und Freiheit. In anderen Ländern der Region, Ländern, auf die wir kaum schauen, findet dieser Kampf fast jeden Tag statt, in Bahrain zum Beispiel. Allerdings nicht im Kampf gegen islamistische Rebellen, sondern weiterhin im Kampf gegen die Regierung. Eine Regierung, die auch wir gewähren lassen und die wir sogar offenbar unterstützten.
Ich habe darüber mit der Menschenrechtsaktivistin Ala’a Shehabi sprechen können, der Gründerin von Bahrain Watch. Heute ist sie bei einer Konferenz in Bonn. Sie lebt normalerweise in London im Exil, seitdem sie in Bahrain verhaftet und verfolgt wurde. Indirekt geschah das wohl mit deutscher Hilfe, mit deutscher Spähsoftware. Meine erste Frage an sie war, wie es dazu kam.
Ala’a Shehabi: Im April 2012, während des Formel-Eins-Rennens, das in Bahrain jedes Jahr stattfindet, wurde ich für kurze Zeit festgenommen. Eine Woche danach wurde etwas gegen mich eingesetzt, von dem ich jetzt weiß, dass es sich um Überwachungstechnik handelt, die von einer deutschen Firma namens Gamma International zur Verfügung gestellt worden war. Als diese Drangsalierungen begannen, sah ich mich gezwungen, das Land zu verlassen und nach London ins Exil zu gehen.
Mit deutscher Spähsoftware überwacht
Frenzel: Es war deutsche Software, die auf Ihrem Computer installiert wurde, die letztendlich den Behörden in Bahrain die Informationen gegeben hat, die zu Ihrer Verhaftung geführt haben?
Shehabi: Ich glaube, dass ich erst zum Zielobjekt wurde, nachdem ich verhaftet worden war. Wir wissen noch nicht genau, welche Informationen sie gesammelt haben, aber wir wissen um die Macht der Überwachungstechnologie und was sie ausrichten kann. Diese Software sammelt alles, was man auf seinem PC schreibt, kopiert alle Dokumente, schaltet die Kamera ein, hört Ihren Skype-Gesprächen zu. Die Macht, die sie hat, um Informationen über einzelne Personen zu sammeln, ist enorm. Ich habe diese Software an digitale Sicherheitsexperten weitergeleitet, die sie dann identifiziert haben. Und wir glauben, dass sie an die bahrainische Regierung verkauft wurde, um Aktivisten auszuspionieren, Leute wie mich, die sich für Reformen und für die Demokratie in Bahrain einsetzen.
Frenzel: Die neue deutsche Bundesregierung, der zuständige Minister hat angekündigt, in Zukunft keine Spähsoftware mehr zu verkaufen an Regime wie die in Bahrain. Das klingt gut, das klingt fast schon überfällig, aber glauben Sie, dass es die Situation in Bahrain oder anderswo ernsthaft verändern kann?
Deutsche Überwachungstechnologie spioniert Oppositionelle in Bahrain aus.
Datenschutz: Der Westen muss die Standards definieren
Shehabi: Ein Land wie Deutschland oder die ganze EU müssen wirklich weltweit die Standards festlegen darüber, was Datenschutz und Schutz der Privatsphäre bedeutet für ein demokratisches Land, sodass autoritäre Staaten wie Bahrain dann nicht die Ausrede haben, dass der Westen ja auch Leute überwacht und ausspioniert, so nach dem Motto, wenn die ihre Leute abhören, wir das ja auch machen können und unsere Leute ausspionieren können.
Das hat unseren Kampf sehr viel schwieriger gemacht, zu wissen, dass Überwachungspraktiken in einigen westlichen Ländern genauso krass sind wie bei uns in Bahrain. Es muss also sehr klare Reformen in Ländern wie Deutschland geben. Es muss klar sein, dass Länder wie Deutschland ihre Position als Schützer der Meinungs- und Redefreiheit festigen, als Schützer der demokratischen Rechte zum Schutz der Privatsphäre.
Frenzel: Glauben Sie, dass die ganze Debatte, die Enthüllungen von Edward Snowden, in der Hinsicht geholfen haben, auch Ihnen geholfen haben in Ihrer Arbeit?
Shehabi: Das hat ganz sicher das Bewusstsein erhöht für die Gefahr und die Macht, die Regierungen haben, um ihre Bürger auszuspionieren, aus welchem Grund auch immer. Gleichzeitig hat es unseren Kampf auch schwerer gemacht, in der arabischen Welt Demokratien zu fordern, die autoritären Regime abzusetzen, weil ständig darauf hingewiesen wird, dass die USA und Großbritannien ja auch Überwachungstechnik nutzen, wir als Regierung dann also auch das Recht haben. Es hat also einerseits das Bewusstsein erhöht, andererseits den autoritären Regierungen Argumente geliefert, weiterhin ihre Bürger auszuspionieren und Überwachungssoftware anzuschaffen.
Frenzel: Die Kooperation mit den Golfstaaten, mit auch Bahrain, ist ja nicht nur eine zufällige auch in der Hinsicht, das war ja eine sehr stark gewollte in den letzten Jahren, weil man einen gemeinsamen Gegner hatte, die Diktatoren in verschiedenen Ländern in der arabischen Welt. War das oder ist das noch immer eine Allianz mit dem Teufel?
Aktivisten in Bahrain: Keine Unterstützung von außen
Shehabi: Wenn Sie mich das als Bürgerin Bahrains fragen, die gesehen hat, wie saudische Truppen im Jahr 2011 ins Land einmarschiert sind, ohne dass es irgendeine Verurteilung seitens des Westens gegeben hätte, im Gegensatz zur Verurteilung, die Russland wegen der Invasion der Krim erfahren hat, dann erscheint das natürlich sehr heuchlerisch. Es scheint, dass politische Bündnisse wichtiger sind als grundlegende Fakten, wie den Frieden und unbewaffnete Aufstände für die Demokratie zu unterstützen, wie in Bahrain im Jahr 2011.
Aber es geht nicht nur um Bahrain. Letzte Woche hat ein Experte für digitale Sicherheit eine weitere, umfassende Technologie aufgedeckt, die von der saudi-arabischen Regierung genutzt wird, eine Software einer italienischen Firma mit dem Namen Hacking Team, mit der Aktivisten in Saudi-Arabien ausspioniert wurden. Es gibt eine globale Industrie, die Überwachungssoftware allen Regierungen zur Verfügung stellt, die dafür zahlen. Und es gibt immer weniger Standards für Regulierungen solcher Industrien. Das wird weiterhin ein Riesenproblem bleiben. Der Westen muss ungeachtet seiner politischen Bündnisse seine eigenen Prinzipien aufrechterhalten, die die Privatsphäre und die Redefreiheit schützen.
Frenzel: Sie sagen, es ist heuchlerisch – aber ist es vielleicht einfach das Dilemma des Westens, dass man in der Region nicht die Partner findet, nicht die idealen, die man finden möchte?
Shehabi: Der Westen muss Demokratie und Menschenrechte unterstützen, überall auf der Welt, ob in verfeindeten oder alliierten Staaten. Als Bahrainerin kann ich sagen, dass es keinerlei Unterstützung für unsere Aufstände von außen gab. Wir sind komplett auf uns selbst gestellt in diesem Kampf für Demokratie. Es gibt 4.000 politische Gefangene, 150 Menschen sind während der Proteste von der Polizei getötet worden. Die Situation zeigt sich Aktivisten im Exil wie mir gegenüber sehr feindlich. Und seitens der demokratischen Welt hören wir dazu weiterhin nichts als Schweigen. Man will dort offensichtlich seine Verbindungen mit dem Bahrainischen Regime nicht gefährden. Man liefert weiter Waffen, der Westen macht weiter, wie immer, mit dem Regime in Bahrain. Anders als bei anderen Staaten, deren Verstöße gegen die Menschenrechte durchaus angeprangert werden.
Dieser Pakt mit dem Teufel, wie Sie ihn nennen, scheint sich also nicht so bald zu verändern. Aber ich komme diese Woche nach Deutschland, um eine Botschaft zu überbringen, die besagt, dass dieses Schweigen beendet werden muss, dass der Westen seine eigenen Prinzipien verteidigen muss. Wir bitten ja nicht um Intervention in irgendeiner Art. Wir wollen nur, dass die Unterstützung der Diktatur aufhört. Dass nicht mehr der Profit über grundlegende Prinzipien der Demokratie gestellt wird.
Frenzel: Ala’a Shehabi von der Nichtregierungsorganisation Bahrain Watch. Vielen Dank für das Gespräch! Thank you very much!
Shehabi: Thank you!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.