Blaulicht, Sirenen und eine rasende Meute, die über sämtliche roten Ampeln heizt. High Noon im Wüstenstaat Bahrain. Doch handelt es sich nicht etwa um eine wilde Verfolgungsjagd, sondern um einen organisierten Radausflug für Passagiere eines deutschen Kreuzfahrtschiffes. Begleitet von einer arabischen Polizeieskorte auf zwei Motorrädern. Organisiert und geleitet von einem Österreicher.
Die Radler ernten erstaunte Blicke von ausgebremsten Verkehrsteilnehmern. Wie Aliens nehmen sich die Biker aus in ihren knappen Outfits vor der al-Fateh-Moschee und in den engen Souks der Hauptstadt Manama.
Bikemanager Gerald Stegner aus Raab in Oberösterreich findet, dass diese Art der ungewöhnlichen „Er-Fahrung“ eines Scheichtums am Persischen Golf Distanzen zu den Menschen im Land eher abbaut als bei anderen Ausflügen. „Außerdem zeigen wir Highlights, die einheimische Reiseleiter sonst nicht zeigen“, sagt der 24-Jährige.
Die meisten befinden sich in der Altstadt, wo normale Reisebusse sonst gar nicht hinkommen. „Wir radeln durch die engen Souks und zeigen, wie die Leute wirklich leben.“ So rechte Begeisterung mag allerdings nicht aufkommen bei den Bahraini, als wir mit den Rädern direkt ins Freitagsgebet auf einem kleinen Platz hineinplatzen und die knienden Männer auf ihren Gebetsteppichen aus ihrer Versenkung reißen.
„Das ist heute ein schlechtes Timing“, gibt Gerald zu. „Normalerweise treffen wir lange vor den Gebeten hier ein.“ Wie auch immer – ein Hauch von Dekadenz und Voyeurismus haftet der Radtour schon an.
Touristinnen in Radlershorts
Doch auf der anderen Seite öffnet sie auch hautnahe Perspektiven und Begegnungen, die sich sonst nur auf Erkundungstouren zu Fuß auftun. Schnell kommt man ins Gespräch. Denn sobald die rund 40 Mann starke Gruppe eine Rast einlegt, ist sie umzingelt von einer Traube von Menschen, die unsere ultramodernen Mountain- und Trekkingräder ebenso bestaunt wie die nackten Beine einiger Touristinnen in ultrakurzen Radlershorts. „Bei der Einweisung an Bord sprechen wir auch den Respekt vor fremden Kulturen an. Was die Teilnehmer dann daraus machen, ist ihre Sache“, sagt Gerald Stegner.
„Die Einheimischen finden es toll, wenn die Radgruppe auftaucht“, verteidigt er die mangelnde Sensibilität so mancher Teilnehmer. „Wir werden oft fotografiert, und es ist ein Phänomen, wie flüssig wir uns in den Verkehr einfädeln können. Diese Begeisterung nutzen wir für unsere Touren.“
Ganz neu ist die Begegnung der kontrastreichen Art nicht, denn schon 2004 hatte der motorsportbegeisterte Kronprinz von Bahrain, Scheich Salman ibn Hamad ibn Isa al Chalifa, die Formel-1-Rennstrecke „Bahrain International Circuit“ gebaut, auf der Michael Schumacher als Erster den Sieg davon trug.
2011 wurde der Bahrain Grand Prix einmalig wegen der aus Tunesien herübergeschwappten Revolte im Arabischen Frühling abgesagt. 2012 flammten die Unruhen nochmals auf. Den Tross von einer Polizeieskorte flankieren zu lassen, garantiert nicht nur die freie Fahrt über die Highways der Hauptinsel, sondern dient auch der Sicherheit. In Dubai, Abu Dhabi und Muscat, den übrigen Anlaufhäfen des Kreuzfahrtschiffes, ist die Polizeibegleitung auf den Radtouren entbehrlich. Bezahlt werden müssen die Staatskräfte nicht. Das ist wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass durch solche Aktionen der Tourismus in Bahrain gefördert werden soll. Die Touren des Radexperten tragen sicher dazu bei.
Fünf Monate ohne freien Tag
Vor anderthalb Jahren hatte den gelernten Fahrradmechaniker das Fernweh gepackt. Mit einem Kollegen aus Hamburg arbeitete er Fahrradtouren für die Reederei TUI Cruises aus. Seit der Taufe von „Mein Schiff 2“ im Mai 2011 ist er nun an Bord – „sozusagen auf dem Trockendock bin ich schon zugestiegen“ –, fünf bis sechs Monate durchgehend, ohne einen einzigen freien Tag. „Wenn ich keine Ausflüge organisiere, muss ich viele administrative Dinge erledigen“, erklärt der Jungunternehmer. Dazu gehört auch, die Touren bei den Behörden und beim Zoll anzumelden. Einen ganzen Fuhrpark an Rädern hat er im Schiffsbauch geparkt und eine Werkstatt eingerichtet.
Wenn der Bus die Passagiere zu den Ruinen des Bahrain Fort bringt, stehen die Sporträder dort schon aufgereiht. Das Unesco-Weltkulturerbe wurde im 14. Jahrhundert von den Portugiesen errichtet. Hier soll sich im zweiten und ersten vorchristlichen Jahrtausend das Zentrum von Dilmun befunden haben, ein süßwasserreiches legendäres Paradies in günstiger Lage auf dem Seeweg zwischen Indien und Mesopotamien. Auf in die Sättel, ab zum Fisch- und Gemüsemarkt. Wie ein weitmaschiges Netz durchschneiden die Highways die Sandwüste, von Dattelpalmen gesäumt und von Blumenrabatten verziert, am Leben gehalten durch Millionen von Litern aus entsalztem Meerwasser. Die Fahrt durch die Altstadt zum Bab-al-Bahrain-Tor, dem Eingang zu den Souks, gerät zum Geschicklichkeitsslalom. Viele Händler haben ihre Waren weit in die schmalen Gassen herausgestellt, Karren voller aufgestapelter Ballen werden durch das Gewusel gezogen, vor den offenen Geschäften sitzen Einheimische im traditionellen Männergewand Dishdasha und spielen Backgammon. Der Bummel wird zu Fuß durchgeführt, zu eng ist das labyrinthische Gassengewirr, zu unbequem das Manövrieren, zu lästig auch das Feilschen mit dem Fahrrad an der Hand.
Überragt werden die niedrigen Häuser der Souks von der hypermodernen Skyline der Business City. Wie die übrigen Arabischen Emirate hat auch Bahrain wirtschaftlich die Brücke zwischen gestern und morgen geschlagen, um sich einen Platz in der Zeit nach dem Versiegen des schwarzen Goldes, den sprudelnden Ölquellen, zu sichern. 240 Meter hoch ragen die segelförmigen Zwillingstürme des Bahrain World Trade Centers, einer futuristischen Konstruktion aus Glas, Chrom und Stahl, in den Himmel. Drei große Windturbinen decken zum großen Teil den Energiebedarf und machen das BWTC zum ersten Windkraft-Wolkenkratzer weltweit.
Zwei kurze Stopps werden jeweils noch an der al-Fateh-Moschee und dem Nationalmuseum eingelegt. Doch die Zeit ist zu kurz, um dort das Gestern tiefer zu ergründen. Schon werfen die Polizisten ihre Motorräder wieder an und schalten das Blaulicht ein, schon schwingen sich die Aliens auf ihren spacigen Fahrrädern wieder in Bewegung in Richtung Hafen.
Radtour:
Die Bike-Städte-Tour ist ca. 20 Kilometer lang und dauert ca. fünf bis sechs Stunden. Inklusive Leihräder, Müsliriegel und Wasserbehälter kostet sie 59 €. Gerald Stegner organisiert und begleitet Touren in Muscat, Bahrain und Abu Dhabi und Dubai. Die Ausflüge sind nur an Bord buchbar.
Kreuzfahrt:
„Mein Schiff 2“ kreuzt noch bis Ende März im Persischen Golf. Die siebentägige Route beginnt und endet in Dubai. Die weiteren Häfen sind dann Maskat im Oman, Manama in Bahrain und Abu Dhabi.
Preis: Eine Kreuzfahrt auf dem Premium-alles-inklusive-Schiff kostet ab 1385 Euro pro Person.
Buchung:
In Reisebüros oder unter www.tuicruises.com
Die Autorin wurde von TUI Cruises unterstützt.