Formel 1
Von Mathias Brunner – 27.08.2014-10:53
Die Aufregung um die Kollision zwischen den beiden Silberpfeil-Fahrern hat sich kaum gelegt. War das Dagegenhalten von WM-Leader Rosberg eine Retourkutsche für den Bahrain-GP?
«Das war inakzeptabel», diesen Satz haben wir am vergangenen Sonntag von den Mercedes-Verantwortlichen Niki Lauda und Toto Wolff ein paar Mal gehört. Der Aufsichtsrats-Chef des Formel-1-Rennstalls und der Rennleiter ärgern sich weiter, dass ein scheinbar leichter Doppelsieg in Belgien leichtfertig verschenkt wurde – weil WM-Leader Nico Rosberg im Duell mit Lewis Hamilton keine Lust hatte, für den Briten Platz zu machen. Die Frage ist: Wie weit geht der Unmut zwischen den beiden Titelanwärtern zurück?
Denn der gleiche Satz («Das war inakzeptabel») sagte auch Nico Rosberg, über Funk und im atemraubenden Nacht-GP von Bahrain. Eben hatte Rosberg versucht, seinen Widersacher aussen in Kurve 4 zu packen. Noch war Nico nicht auf gleicher Höhe mit seinem Rivalen, aber Rosbergs Linienwahl war cleverer und sein Speed war höher. Das nützte dem Deutschen freilich wenig, weil Hamilton nach drei Vierteln der Kurve sein eigenes Auto nach aussen tragen liess und Rosberg der Raum ausging. Nico schäumte.
Ähnliches spielte sich in der letzten Runde des Ungarn-GP ab, erneut versuchte Rosberg die Aussenseite, auf dem Hungaroring in der dritten Kurve, erneut machte sich Hamilton breit und Nico blieb nichts anderes übrig, als den Fuss vom Gas zu nehmen.
Dazwischen gab es jede Menge Gründe für Rosberg, einen Groll zu hegen. Die Unterstellung in Monaco, Lewis dessen Quali-Runde ruiniert zu haben. Die Überzeugung im Ungarn-GP, trotz besserer Strategie vom Mercedes-Kommandostand zu wenig Rückendeckung bekommen zu haben. Die Äusserungen von Lewis Hamilton, er selber, Lewis, seit eben erfolgshungriger; und Rosberg sei im Grunde gar kein Deutscher. Der Eindruck, dass Hamilton von der Mercedes-Teamführung verhätschelt wird.
Dennoch fällt es schwer zu glauben, dass die Aktion in Belgien die Frucht dunkler Gedanken während der Sommerpause war. Entscheidungen bei solchen Rad-an-Rad-Duellen werden im Zehntelsekundenbereich gefällt, da bleibt für die Umsetzung düsterer Pläne nicht viel Zeit.
RTL-Formel-1-Experte Christian Danner bleibt überzeugt: «Für mich war das ein Rennzwischenfall mit 50:50 Prozent Schuldbeteiligung.»
Das sieht sein einstiger Zakspeed-GP-Stallgefährte Martin Brundle zwar anders («Das geht zu 100 Prozent auf die Kappe von Nico»), doch den Briten stört wie Rosberg nun zum Buhmann gemacht wird: «Viele Leute verstehen einfach nicht – wenn du nicht nachgibst, wird in der Regel dein eigener Frontflügel zerknittert, du schiesst dir also ein klassisches Eigentor. Und ich kann es gar nicht genug wiederholen: du erkennst aus dem Cockpit nicht, wo dein Frontflügel endet, du kannst es höchstens erahnen. Allein deswegen ist die Absichtsunterstellung purer Blödsinn.»
Vor einigen Rennen hat Niki Lauda selber gesagt, und seine Worte verdienen anhaltenden Applaus: «Die Formel 1 ist überreglementiert und zu klinisch.»
Zu Beginn der Saison wurde fast jede Berührung von den Rennkommissaren bestraft, vor dem Hockenheim-GP beschlossen die Verantwortlichen der FIA zusammen mit Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone, dass den Piloten eine längere Leine gelassen wird. Die Fans erhielten auf diese Weise in Hockenheim, auf dem Hungaroring sowie in den Ardennen drei spannende Leckerbissen serviert.
Gleichzeitig war vor dem Hintergrund des Mercedes-Versprechens («Freie Fahrt für beide Fahrer») immer klar, dass früher oder später der Zeitpunkt kommen musste, an dem Lewis Hamilton und Nico Rosberg das gleiche Stück Asphalt für sich beanspruchen. Verlierer sind die beiden Piloten: Hamilton mit einer Nullrunde, Rosberg hat einen möglichen Sieg verpasst und muss nun innerhalb von Mercedes und in der Öffentlichkeit reichlich Prügel einstecken.
Der Gewinner hingegen ist der Sport, denn letztlich sind solche Duelle, solche Kontroversen, solche Diskussionen genau das Salz in der Formel-1-Suppe.