Es hat einfach nicht sein sollen diese Woche. Auch am vierten Tag der ersten Wintertestfahrten in Jerez war für Red Bull schon frühzeitig Schluss. Kurz nach dem Mittag um 12:37 Uhr Ortszeit gab Red Bull das Kommando zum endgültigen Rückzug. Daniel Ricciardo hatte da gerade einmal sieben Runden abgespult. Überhaupt liest sich die Bilanz in dieser Woche verheerend. Der Australier drehte insgesamt nur zehn Runden, Weltmeister Sebastian Vettel gerade einmal eine mehr.
Die 21 Runden von Jerez lassen sich insgesamt zu 92,988 Kilometern addieren – selbst Caterham schaffte allein am Freitagmorgen mehr als das Doppelte. Im Vorjahr sah das noch ganz anders aus: Damals spulten Sebastian Vettel und Mark Webber zusammen 372 Runden auf dem südspanischen Kurs ab – nur Sauber kam auf noch mehr Umläufe. Am Ende stand der vierte Weltmeistertitel in Folge.
Von der Euphorie ist mittlerweile im Team wenig zu spüren: Sebastian Vettel reiste noch während der laufenden Tests am Mittwoch enttäuscht nach Hause, gestern folgten auch Technikchef Adrian Newey und Teamchef Christian Horner, die ihr Team an der Strecke zurückließen und sich auf den Weg nach Milton Keynes machten. Dort soll nun alles für den bevorstehenden Test in Bahrain (19.-22.02.) in Gang gesetzt werden.
Probleme über Probleme
“Es war ein sehr schwieriger Test”, kommentiert Horner das schlechte Abschneiden. “Wir hatten eine Vielzahl an Renault-Problemen und ein Problem mit der Kühlung des Chassis, die unseren Fortschritt beeinträchtigt haben.” Das soll wohl mit der Bauweise des RB10 von Adrian Newey zusammenhängen. Wieder einmal versuchte der Designer alles so kompakt wie möglich zu verbauen – und ging diesmal wohl einen Schritt zu weit.
Die Kühlungsöffnungen können die Renault-Installationen nicht genügend kühlen, was zur Folge hatte, dass der Red-Bull-Bolide häufiger qualmend in der Box gesehen wurde. Für umfassende Änderungen ist im RB10 schlicht kein Platz, Newey muss sich bis Bahrain also eine Lösung einfallen lassen. Am Freitag war man erst einmal mit provisorisch eingerichteten Schnorcheln im Seitenkasten unterwegs, die eher nicht nach hochtrabender Technologie aussahen.
Doch die zusätzliche Kühlung brachte nichts: Auch am letzten Tag konnte das Weltmeisterauto nicht mehr als sieben Runden drehen. “Wir haben ein mechanisches Problem am Auto gefunden, und nachdem wir es untersucht hatten, wurde klar, dass wir es nicht rechtzeitig reparieren konnten, um am Nachmittag noch einmal herauszufahren”, erklärt Renningenieurs-Koordinator Andy Damerum. “Wir haben also entschieden, früher aufzuhören, die gesammelten Daten mitzunehmen und in Richtung nächstem Test in Bahrain zu arbeiten.”
Wer hat Schuld: Renault oder Red Bull?
Das hört sich nach Durchhalteparolen an. Doch die hat es schon während der gesamten Woche gegeben: Immer wieder betonte man bei Red Bull, dass man früher aufgehört hat, um sich auf den folgenden Tag zu konzentrieren – nur um dann wieder einen Reinfall zu erleben und die gleichen Aussagen zu tätigen. Da auch Toro Rosso und Caterham häufig Probleme hatten, konnte man den Schwarzen Peter schnell in Richtung Renault schieben, die mit Hochdruck an den Schwierigkeiten basteln.
Doch Toro Rosso und Caterham laufen mittlerweile relativ problemfrei – anders als Red Bull. Renault schob den Peter daher wieder zurück und zeigte sich unzufrieden mit der Installation des Antriebs im Red Bull. Doch wie man es dreht und wendet: Beide Seiten werden wohl gemeinsam bis Bahrain nachbessern müssen. Beim französischen Hersteller versichert man, dass man die Probleme bis zum nächsten Test in den Griff bekommen wird – und auch bei Red Bull ruht das Prinzip Hoffnung.
In der Hoffnung liegt die Kraft
“Trotz der fehlenden Kilometer zeigt unser Gelerntes, dass die Probleme bis zum nächsten Test lösbar sind. Teil des Zwecks dieses frühen Tests war, über die Probleme vor dem Start in die Saison zu lernen”, bleibt Horner vorerst ruhig. In den kommenden Wochen soll der Fokus noch einmal verstärkt auf den Prüfständen liegen, bevor man in Bahrain den nächsten Anlauf wagt. “Zwei Wochen sind in der Formel 1 eine lange Zeit und wir – und sicher auch Renault – werden unentwegt arbeiten, um die vorhandenen Probleme zu lösen”, ergänzt Damerum.
Denn eines darf man sowieso nicht machen: Red Bull abschreiben. Ein Blick auf das Jahr 2010 genügt dafür: Damals verpassten die Bullen sogar den kompletten ersten Test in Valencia – und wurden Weltmeister. Heute stehen schon 21 Runden mehr zu Buche und sollte Adrian Newey das Problem in den Griff bekommen, dann muss sich die Konkurrenz warm anziehen. Und gerade jetzt sollte die Konkurrenz gewarnt sein: “Es gibt nichts Unverwüstlicheres als einen unzufriedenen Adrian Newey”, sagt Ex-Technikchef Gary Anderson. Man darf gespannt sein.