Terrormiliz – US-Allianz gegen IS bröckelt

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die USA bei ihrem Militäreinsatz gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak keine Waffengefährten brauchen. Militärisch wäre die Supermacht in der Lage, die Extremisten allein zu bekämpfen. Die Beteiligung arabischer Staaten an der Allianz aber ist schon deswegen wichtig, damit die IS nicht behaupten kann, es gehe hier um einen Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen. Aber das Bündnis ist nach Ansicht von Experten brüchig, weil die beteiligten arabischen Staaten bisher selbst unterschiedliche Interessen verfolgt haben.

Und die von den USA angeführte Koalition gegen den IS mit insgesamt 56 Ländern ist weit weniger imposant als dies den Eindruck erweckt. Viele Teilnehmer sind gar nicht in der Lage, einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Und wichtige Akteure in der Region halten sich zurück – etwa die Türkei.

USA erhoffen sich Vorteile

Die Koalition gegen den IS wertet der stellvertretende Direktor des Washingtoner Zentrums für Strategische und Internationale Studien, Jon Alterman, als eher symbolischen Akt. “Praktisch macht das kaum einen Unterschied”, sagt er mit Blick auf die seit Dienstag laufenden Angriffe der US-Luftwaffe in Syrien. Politisch aber versprechen sich die USA einen enormen Vorteil von der Waffengemeinschaft mit Saudi-Arabien, Jordanien, den Arabischen Emiraten, Bahrain und Katar. Damit werde dem Argument der Boden entzogen, der Westen würde in die Weltpolitik eingreifen und nur seine Interessen durchsetzen, erklären Vertreter der USA und anderer westlicher Staaten. Nicht zuletzt gehe es darum, die Behauptungen des IS zu konterkarieren, die Kämpfe in Syrien und im Irak seien im Grunde ein Glaubenskrieg.

Kein Bündnis Gleichgesinnter

Die von den USA zusammengezimmerte Koalition ist jedoch alles andere als ein Bündnis gleichgesinnter Staaten. Der gemeinsamen militärischen Aktionen ging mit einer Vielzahl von Treffen und Telefonkonferenzen spürbarer diplomatischer Druck der USA voraus. Am 11. September – kurz nachdem Präsident Barack Obama die Angriffe auf Ziele in Syrien angekündigt hatte – sprach US-Außenminister John Kerry zwei Stunden mit dem saudischen König Abdullah. Einige Tage später nahm Kerry nach Angaben eines Beteiligten den Außenminister der Arabischen Emirate, Abdullah bin Zayed, ins Gebet. Zugleich bearbeitete demnach Kerry den jordanischen König Abdullah, zuletzt noch einmal bei einem nicht angekündigten Treffen vergangenen Freitag.

Trotzdem herrscht nach Angaben eines Mitarbeiters des Außenministeriums in Washington “totale Uneinigkeit” zwischen den beteiligten arabischen Staaten und den USA. Die Ziele der Gruppenmitglieder gehen teilweise weit auseinander. So haben etwa die arabischen Staaten im syrischen Bürgerkrieg unterschiedliche Fraktionen unterstützt. Und die USA haben arabischen Staaten wiederholt vorgeworfen, die Finanzierung militanter islamistischer Gruppen durch Privatleute nicht zu unterbinden.

Arabische Staaten fürchten IS-Vergeltungsschlag

Umgekehrt fürchten Saudi-Arabien und seine Nachbarstaaten eine Vergeltung der IS-Kämpfer, zumal in deren Reihen eigene Landsleute stehen. Die Angst ist begründet: Auch in diesen autoritär geführten Staaten, die bisher die Unruhen des “arabischen Frühlings” begrenzt halten konnten, gibt es ein für die Radikalisierung offenes Potenzial junger Menschen.

Der Kampf gegen IS kann nach den Worten Obamas jedoch noch Jahre dauern. Fraglich ist, ob das Bündnis auch so lange halten wird. Schon die US-geführte Allianz arabischer Staaten nach der irakischen Invasion Kuwaits 1991 hielt nicht lange. Damals war Syrien noch mit an Bord, heute ist Präsident Bashar al-Assad eine Unperson für die westliche Diplomatie.

Militäreinsatz: Europäer zaudern

Auf der anderen Seite zeigen sich die wichtigsten westlichen Verbündeten der USA bisher zaudernd, wenn es um Militäreinsätze geht. Frankreich hat sich zwar an Luftschlägen im Irak beteiligt, lehnt es aber ab, seine Luftwaffe auch in Syrien Angriffe fliegen zu lassen. Großbritannien, der engste Verbündete der USA, hat zwar die Luftangriffe in Syrien gutgeheißen, will sich aber nicht militärisch engagieren. Deutschland, wo Militäreinsätze traditionell auf große Ablehnung stoßen, hat bereits sehr früh abgewunken.

Insgesamt liegt dem US-Außenministerium aber eine Liste von 56 Staaten vor, die Hilfen im Kampf gegen den IS versprochen haben. Darunter befinden sich der kleine Pyrenäenstaat Andorra oder die auch die Ukraine, die selbst allerdings genug andere Sorgen hat. Auch das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland ist dabei. “Wir haben zwar keinen konkreten Hilfsvorschlag, aber politisch gesprochen, sind wir Teil der Koalition”, betont Außenminister Evangelos Venizelos.

Haltung der Türkei noch unklar

Ein NATO-Verbündeter, dessen Hilfe von besonderem Gewicht ist, hält sich bisher jedoch zurück. Die Türkei, die eine lange gemeinsame Grenze mit Syrien hat, sparte mit klaren Verurteilungen des IS. Ein Grund mag sein, dass die Türkei nicht die Gegner Assads schwächen will, den sie für untragbar hält. Zudem wollen die Türken nicht die Kurden stärken, deren Autonomie-Bestrebungen sie ablehnen. Die Kurden tragen aber derzeit die Hauptlast der Bodenkämpfe gegen den IS.

Ein möglicher Grund für das gebremste Engagement der Türkei ist mittlerweile jedenfalls weggefallen. Durch einen immer noch rätselhaften Einsatz des türkischen Geheimdienstes kamen vergangenes Wochenende 49 türkische Geiseln aus der Hand von IS-Milizen frei. Am Dienstag beließ es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dabei anzukündigen, sein Land könnte militärische oder logistische Hilfe bei den US-Luftangriffen leisten. Was damit genau gemeint ist, ließ er offen.

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