New York/Washington –
Am Tag nach den ersten Luftangriffen auf Terroristen-Stellungen in Syrien findet sich Barack Obama an einem Rednerpult ein, das die auf Symbolik bedachte US-Regie direkt vor dem Präsidentenhubschrauber Marine One auf der Wiese vor dem Weißen Hauses platziert hat. Das soll ein Signal der Entschlossenheit aussenden. Dort stellt sich der US-Präsident ans Mikrofon und erläutert, ohne das Wort Krieg in den Mund zu nehmen, warum sich Amerika wieder einmal im Krieg befindet. „Wir werden Terroristen, die unser Volk bedrohen, keinen Zufluchtsort lassen“, sagt er – und Beobachter fühlen sich bei der Wortwahl wieder einmal an Obamas Vorgänger erinnert.
Doch was auf den ersten Blick wie die Wiederholung von US-Angriffen aus der Bush-Zeit aussieht, ist in Wirklichkeit anders. Es hat sich eine ungewöhnliche Koalition gefunden, die Obama in der Nacht zu Dienstag bei der Ausweitung seines Krieges gegen IS auf das Bürgerkriegsland Syrien hilft. Sechs Wochen lang bereits bombardiert die US-Luftwaffe IS-Stellungen im Irak – bis auf französische Schützenhilfe weitgehend im Alleingang.
Attacke auf Al-Kaida-Splitterorganisation
Doch als jetzt auch Ziele in Syrien angegriffen werden, sind fünf arabische Staaten dabei: Saudi-Arabien, Bahrain, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar. Für den US-Präsidenten reicht das Ausmaß an Unterstützung offenbar aus. Er sagt, es zeige sich, dass Amerika den Kampf gegen die Terrormiliz des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) nicht alleine führen werde. Die USA seien stolz, mit diesen Nationen Schulter an Schulter zu stehen, um die gemeinsame Sicherheit zu garantieren.
Nächtlicher Einsatz des Flugzeugträgers USS George H.W. Bush. Foto: Robert Burck/US Navy
Insgesamt fallen in der Nacht zu Dienstag mehr als 150 Präzisionsbomben auf Kommandoposten, Trainingslager, Waffenarsenale und Versorgungslager der IS-Miliz in Syrien. Die Schläge seien „sehr, sehr effektiv gewesen“, sagt der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Nach nicht überprüfbaren Angaben syrischer Beobachter werden dabei 70 IS-Extremisten getötet.
Im Schatten der Angriffe auf IS fliegt die US-Luftwaffe zudem im Alleingang Attacken auf eine bislang kaum bekannte Al-Kaida-Splitterorganisation, die in Washington „Chorasan-Gruppe“ genannt wird. Anschläge dieser Gruppe in den USA hätten unmittelbar bevorgestanden, sagen Obama-Berater. Die erfahrenen „Al-Kaida-Veteranen“ seien eine akute Bedrohung für die USA und Europa. Einzelheiten nennen sie nicht.
Anders als bei den US-Angriffen auf IS-Stellungen im Irak, die von der neuen Regierung in Bagdad ausdrücklich gebilligt wurden, haben Obamas Militärplaner beim syrischen Regime in Damaskus nicht um Erlaubnis gebeten. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen habe ihrem syrischen Amtskollegen lediglich vorab gesagt, dass es zu Angriffen kommen werde, heißt es in Washington. Das sei aber keine irgendwie geartete Absprache, sondern lediglich eine Information gewesen. Der Friedensnobelpreisträger Obama, den der rasante IS-Vormarsch zum Feldherren gemacht hat, will unter allen Umständen vermeiden, dass das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad von den US-Angriffen auf IS-Ziele profitiert.
UN-Chef Ban mahnt USA
In seiner kurzen Stellungnahme vor dem Weißen Haus kündigt Obama an, dass er die Aufgabe nach der ersten Bombennacht noch lange nicht erledigt sieht: „Wir werden tun, was nötig ist.“ Die US-Regierung rechnet mit einem Kampf gegen IS, der sich möglicherweise jahrelang hinziehen wird.
Obama selbst nimmt sich am Dienstagmorgen nur drei Minuten Zeit, um den Amerikanern zu erklären, warum ihr Land wieder einmal im Krieg ist. Dann steigt er in den Hubschrauber und macht sich auf den Weg nach New York.
Dort muss er an diesem Mittwochmorgen vor der UN-Generalversammlung eine Rede halten. Beobachter erwarten, dass der US-Präsident auch etwas dazu sagen wird, warum er den Krieg – wie sein Amtsvorgänger auch – ohne ausdrückliche Billigung der Vereinten Nationen führt.
Deren Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die USA und ihre arabischen Verbündeten derweil auf, sich bei den Luftschlägen an internationales Recht zu halten. Es müsse alles getan werden, um die Zahl ziviler Opfer so gering wie möglich zu halten. Die extremistischen Gruppen in Syrien stellten jedoch eine Gefahr für den Weltfrieden dar.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte eine Gesamtstrategie für Syrien. „Klar ist, dass wir im Kampf gegen IS eine breit angelegte, regional verankerte Gesamtstrategie brauchen, die auch militärische Bestandteile hat“, sagte er in New York, wo er zur UN-Vollversammlung aufhielt. (mit dpa)