(Motorsport-Total.com) – Die Saison 2015 der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ist mit dem 6-Stunden-Rennen bei Nacht in Bahrain zu Ende gegangen. Der Event im arabischen Königreich zieht seit jeher nur wenige Besucher auf die Tribünen, aber dennoch gilt die Station als eines der Highlights der Serie. Der Grund: Nirgends sonst ist die Organisation einer WEC-Veranstaltung derart perfekt wie in der Wüste südlich von Manama. Neben finanziellen Aspekten ist dies der Grund, warum die Szene bis mindestens 2017 dort gastieren wird.
Die vorbildliche Organisation fängt schon am Flughafen von Manama an. Bei der Anreise wird der WEC-Tross von zahlreichen freundlichen Helfern begrüßt, die nur ein Ziel haben: Die Teams, Fahrer, Fans und Journalisten sollen sich willkommen fühlen. Auf allen Autobahnen prangen riesige Tafeln, die auf das Rennen hinweisen – so viel Werbung für einen WEC-Event sieht man sonst nirgends. Bahrain investiert viel in die Szene, ohne dafür mit einem Zuschauerstrom entlohnt zu werden. Warum man dennoch weiterhin die Langstrecken halten will, erklärt Streckenchef Scheich Salman bin Isa Al Chalifa im Interview.
Frage: ” Scheich Salman bin Isa Al Chalifa, die WEC-Saison ist mit dem Rennen auf dem Bahrain International Circuit zu Ende gegangen. Wie fällt die Bilanz aus?”
Scheich Salman: “Besser geht es doch gar nicht, mehr kann man sich nicht wünschen. Es gab Action vom Start bis ins Ziel, in allen Klassen spannende Kämpfe und so viele Dramen und Stories, das man sie gar nicht alle schreiben kann. Nehmen wir mal zum Beispiel Mark Webber, der hier mir Porsche endlich seinen verdienten WM-Titel geholt hat. Es war großartig zu sehen, welche Freude bei ihm und seinen Teamkollegen ausbrach.”
“Abseits des Sportlichen sind wir immer bemüht, dass die Teams sich hier willkommen fühlen und alles bekommen, was sie benötigen. Wir arbeiten hart daran, die WEC mit offenen Armen zu empfangen. Zum Auftakt des Wochenendes gibt es immer ein stimmungsvolles Grillfest im Paddock. Das kommt gut an und entspricht genau dem, wofür Endurance-Racing steht. Es ist eine große Familie. Zudem bin ich auf meine Mannschaft und unsere Marschalls sehr stolz, die wieder einen tadellosen Job gemacht haben.”
“Wir werden in unserem Team noch einmal alles analysieren, wollen uns immer weiter verbessern. Wir haben drei Leitpunkte in unserem Unternehmen: Pride, Passion, Performance (zu deutsch: Stolz, Leidenschaft, Leistung; Anm. d. Red.). Diese Werte leben wir jeden Tag. Natürlich kommen bislang nicht viel Zuschauer, aber es wird langsam besser. Wenn man etwas aufbauen möchte, dann muss man sich auch die entsprechende Zeit dafür geben. Das tun wir, denn wir sind vom Potenzial der WEC mehr als überzeugt.”
In der Formel 1 arbeitet man mit anderem Budget
Frage: “Wenn man das WEC-Wochenende aber mit dem Formel-1-Event in Bahrain vergleicht, dann ist der Zuschauerzuspruch enorm unterschiedlich…”
Scheich Salman: “Das stimmt. Aber wie ich sagte: Wir nehmen uns die Zeit, um hier etwas aufzubauen. Wenn man etwas entwickeln möchte, dann muss man auch den Atem haben, es über einen längeren Zeitraum wachsen zu lassen. Man darf auch nicht vergessen, dass wir beim Formel-1-Event mit einem ganz anderen Budget agieren. Das Entertainment inklusive Konzerten hinter der Haupttribüne ist am Grand-Prix-Wochenende viel umfangreicher. Das macht für die Menschen in Bahrain viel aus. Da müssen wir vielleicht für die WEC 2016 etwas nachbessern. Das hat diese fantastische Rennserie verdient.”
Frage: “Von den Teams ist bezüglich Organisation und Durchführung nur Positives zu hören. In welchen Bereichen kann es denn besser werden?”
Scheich Salman: “Es sind die Details, die wirklichen Feinheiten. Ein Beispiel: Im ersten Jahr hatten wir die Klimaanlage im Medienzentrum zu extrem eingestellt, es war schlichtweg zu kalt – sogar für euch Europäer. Als ich dort einen Journalisten in Jacke sitzen sah, habe ich sofort gesagt, dass es so nicht geht. Ich bin Perfektionist, so wie eigentlich alle in meinem Team. Für mich muss immer alles ganz sauber, ordentlich und perfekt organisiert sein. Da gibt es bestimmt noch Details, die besser werden können. Es liegt in unserer Kultur, dass wir die Gäste mit offenen Armen empfangen. Dass andere das nicht so machen, interessiert mich nicht. Uns allen ist das extrem wichtig.”
Frage: “Sie selbst sind in Porsche-Cups gestartet, also im Herzen ein echter Racer. Was sagt das Racerherz, wenn die WEC die Motoren anwirft?”
Scheich Salman: “(lacht) Kein Scherz: Ich war positiv geschockt! Ich saß zusammen mit meinem Cousin in meinem Büro, als die Autos angeworfen wurden. Es hat uns vom Hocker gehauen. Daran ist man ja gar nicht mehr gewöhnt – herrlich! Diese unterschiedlichen Sounds. Der Aston Martin hört sich klasse an, der Ferrari ist laut und die LMP1-Autos haben alle ihren ganz eigenen Klang. Da geht einem das Herz auf. Es hörte das ganze Wochenende nicht auf: Cup-Porsche, MRF-Serie, GP3, GP2 und als Krönung die WEC. Ich habe die ganze Zeit gegrinst.”
Die WEC-Autos im Rampenlicht: Die besondere Bahrain-Show
Frage: “Was macht das WEC-Rennen in Bahrain einzigartig, sodass sie sich abgrenzen können?”
Scheich Salman: “Allein schon die Tatsache, dass hier unter Flutlicht gefahren wird. In Le Mans wird auch in der Nacht gefahren, aber eben ohne Flutlicht, sondern nur mit den Scheinwerfern der Autos. Wir haben das Flutlicht, das ganz nebenbei noch wundervolle Bedingungen für TV und Fotografen mit sich bringt. Es sieht alles noch schöner aus. Ich bringe das mal auf den Punkt: Wir haben künstliche Beleuchtung, aber unverfälschtes Racing. Das ist es.”
“Hinzu kommt, dass der Zeitplan stimmt, sodass man das Rennen in Europa zu angenehmer Tageszeit am Samstag verfolgen kann. Ich hoffe, dass wir in Zukunft bei diesem Timeslot bleiben können, denn es passt einfach optimal. Im kommenden Jahr werden wir am WEC-Wochenende gleichzeitig eine Kartmeisterschaft hier haben. Unsere Kartstrecke ist erstklassig. Ich habe am Samstag vor dem Rennen Juan Pablo Montoya dort mit hingenommen. Er war hin und weg von der Anlage – wir hatten viel Spaß.”