Die Kirche bietet Heimat in der Fremde

Frage: Herr Erzbischof, Stationen Ihres Solidaritätsbesuchs auf die Arabische Halbinsel sind Katar, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Oman. Alle vier Staaten zählen laut der Organisation “Open Doors” zu den Ländern, in denen Christen am meisten verfolgt und bedrängt werden. Wie schätzen Sie die Situation der katholischen Ortskirche dort ein?

Schick: Ziel meiner Reise auf die Arabische Halbinsel ist es, die Lage der Ortskirchen in der Region besser kennenzulernen und vom alltäglichen Leben der Christen mehr zu erfahren. In Deutschland ist kaum bekannt, dass sich in den Golfstaaten in den letzten Jahrzehnten eine lebendige und bunte Migrantenkirche entwickelt hat. Fast alle Christen sind Ausländer; sie sind hier, um zu arbeiten und Geld zu verdienen. Man schätzt, dass heute ungefähr neun Prozent der Wohnbevölkerung Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate und 15 Prozent in Bahrain Christen sind. In der gesamten Region leben ca. 3 Millionen Katholiken. Die meisten von ihnen stammen aus Indien, von den Philippinen und aus anderen asiatischen sowie  arabischen Ländern. Es gibt in keinem der Golfstaaten eine vollständige Religionsfreiheit im Sinne des Völkerrechts, aber die Christen können dennoch, mit Ausnahme Saudi Arabiens, in eigens dafür geschaffenen Kirchenzonen ihre Religion relativ frei leben. Darin dürfen sie auch  Kirchen bauen, und es gibt katholische Schulen. Eine aktive Werbung für den christlichen Glauben und Mission sind jedoch verboten. Konversionen vom Islam zum Christentum sind nicht möglich. Insgesamt habe ich auf meiner Reise eine junge und aktive Kirche kennengelernt, die ihre Handlungsspielräume klug nutzt und von den politischen Autoritäten zunehmend als Gesprächspartner wahr- und ernstgenommen wird. Die Kirche ist sehr wichtig, um Christen in der Fremde Heimat zu bieten. Sie bietet ihnen die Chance, sich zu treffen, und fördert Gemeinschaft, die den oft sehr harten Alltag bestehen hilft.

Frage: Wie gestaltet sich der interreligiöse Dialog zwischen Christen und Muslimen auf der Arabischen Halbinsel?

Schick: In den von mir besuchten Ländern beschäftigen sich mittlerweile verschiedene Zentren mit dem interreligiösen Dialog. Zwei davon konnte ich besuchen. Unter Religionsfreiheit wird meist die friedliche Koexistenz der verschiedenen Religionen verstanden und nicht die Freiheit, selber über den eigenen Glauben und die eigene Religionszugehörigkeit zu entscheiden. Es geht mehr um das Neben- als um das Miteinander. Der Dialog der Religionen am Golf wird häufig auf internationalen Konferenzen geführt und auf der Ebene der Religionsführer – bedauerlicherweise kaum im Alltag und im Leben der Menschen. Wir brauchen zukünftig aber auch den Dialog auf Graswurzelebene. Wir benötigen das Gespräch und das gegenseitige Kennenlernen der Gläubigen der verschiedenen Religionen und Konfessionen. Die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten haben dazu beigetragen, die Notwendigkeit eines solchen Dialogs zu unterstreichen. Verschiedene Vertreter muslimischer Konfessionen haben mir versichert, dass sie ernsthaft an diesem Gespräch interessiert sind. Auch kleine Schritte des Dialogs und des guten Willens bringen hier weiter.

Frage: Sie führen in den verschiedenen Staaten auch Gespräche mit Vertretern der Politik und des Islams. Welche Themen stehen hier auf der Agenda?

Schick: Wir konnten in Katar,  in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Oman die für islamische Angelegenheiten und für andere Religionen zuständigen Minister treffen. Durch die Gespräche mit den Ortsbischöfen Camillo Ballin und Paul Hinder und durch die Erlebnisse der letzten Tage wurde mir deutlich, wie wichtig gute Kontakte zu den jeweiligen Herrscherhäusern sind, um als Kirche in der Region arbeiten zu können. Scheich Ghaith bin Mubarak Al Kuwari aus Katar hat wortwörtlich zu mir gesagt: “Die Religionen bilden die Basis unserer Werte und wir können diese durch den interreligiösen Dialog bestärken.” Ganz konkret geht es in den Gesprächen um die Situation der christlichen Minderheit vor Ort und häufig auch um die Frage, wo und wann Grundstücke für den Bau von Kirchen, Schulen oder für andere pastorale Aufgaben zur Verfügung gestellt werden können.

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Frage: Wegen der Ausbeutung von Arbeitsmigranten ist Katar als Gastgeber der Fußball-WM 2022 massiv in die Kritik geraten. Werden Sie in Katar auch das Thema Menschenrechte ansprechen?

Schick: Ich habe mit eigenen Augen gesehen, welche große Rolle Arbeitsmigranten in allen Golfstaaten spielen. Ohne Menschen aus allen Teilen der Welt, vor allem aus Asien, wäre ein so hoher Lebensstandard für die Einheimischen dort nicht möglich. In den Vereinigten Arabischen Emiraten machen Migranten ca. 80 Prozent der Bevölkerung aus. Gerade im Bausektor oder im Bereich der Haushaltsangestellten kommt es immer wieder zu Ausbeutung. Arbeiter werden nicht bezahlt, menschenunwürdig untergebracht, die Pässe werden einbehalten oder es kommt zu sexuellen Übergriffen auf Hausangestellte. In Katar wurde mir erklärt, dass die Berichte in der internationalen Presse über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen der Migranten und die vielen Todesfälle auf Baustellen dazu beigetragen haben, dass die Regierung versucht, mit Gesetzen und schärferen Kontrollen die Situation zu verbessern. Auch die Firmen, die aus allen Teilen der Welt in der Golfregion tätig sind, achten inzwischen mehr auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ein Prozess des Umdenkens hat begonnen. Es ist aber noch sehr viel zu tun. Während der Reise bin ich mit Vertretern einer kirchlichen Organisation zusammengetroffen, die sich für die Rechte der Gastarbeiter einsetzt und sich um Einzelschicksale rechtlich, medizinisch und therapeutisch kümmert. Es ist unsere Aufgabe als Kirche, beim Thema Menschenrechte genau hinzuschauen.

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Dieses Interview erschien zuerst auf unserem Partnerportal weltkirche.katholisch.de

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Von Lena Kretschmann

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